Serie Genuss Aus Gladbach (2) Bonbons wie anno 1955

Mönchengladbach · Auf alten Maschinen und nach den Originalrezepturen werden bei Ehren in Rheydt Zuckerwaren gefertigt. Dabei ist Firmeninhaber Valentin Wessels gerade einmal 26 Jahre jung.

 Konditor und Produktionsleiter Bilal Yildirim (li.) und Inhaber Valentin Wessels bei der Produktion von Kirschlollis.

Konditor und Produktionsleiter Bilal Yildirim (li.) und Inhaber Valentin Wessels bei der Produktion von Kirschlollis.

Foto: Isabella Raupold

Auf der Wiesn kennt man ihn. Sobald die Wirte und die Angestellten in den großen Zelten nach einigen Tagen das erste Kratzen im Hals verspüren, dann melden sie sich bei Valentin Wessels - wegen seiner rachenberuhigenden Salbei-Honig-Bonbons. Gut, das liegt ein bisschen daran, dass der 26-Jährige ursprünglich aus Starnberg kommt und sein Netzwerk in München hat, und es ist auch nicht so, dass er dort massenweise Süßwaren verkauft - mehr ein Freundschaftsdienst. Dennoch gibt es sicherlich schlechtere Referenzen für einen kleinen Traditionsbetrieb von der Rheydter Königstraße. Seit 1955 existiert die Zuckerwarenfabrik Ehren, seit zwei Jahren hat Wessels ihr neues Leben eingehaucht. "Ich war mit 16 das erste Mal hier, schon damals wusste ich: Diese Fabrik will ich mal haben", sagt der junge Mann, zehn Jahre danach.

Serie Genuss Aus Gladbach (2): Bonbons wie anno 1955
Foto: Raupold Isabella

35 bis 40 Millionen Süßigkeiten produziert das kleine, vierköpfige Team (dazu kommen zahlreiche Saisonaushilfen) pro Jahr - größtenteils Bonbons, aber auch gebrannte Mandeln, Lutscher und Lakritzspezialitäten. "Insgesamt sind das weit über hundert Sorten, dazu kommen noch jede Menge Variationen", sagt Wessels. Von Anis-Fenchel-Briketts über Vanilleplätzchenbonbons bis hin zu den Kräuterbonbons, mit denen Firmengründer Hubert Ehren Anfang der 50er Jahre anfing, reicht das Angebot. Produziert wird mit denselben Maschinen und Formen wie damals, etwa den alten Prägewalzen, die den Bonbons ihr Muster geben, dazu größtenteils nach den Originalrezepturen - Wessels besitzt noch das handschriftliche Rezeptbuch von Hubert Ehren. Wer beispielsweise irgendwo in Nordrhein-Westfalen auf einem Weihnachtsmarkt Glühweinbonbons kauft, hat gute Aussichten, ein Ehren-Produkt zu naschen. Des Weiteren werden Marktbeschicker und Schausteller beliefert, dazu gibt es einen Lagerverkauf, ein wenig wird sogar exportiert. "Ganz neu ist, dass wir erste Reformhäuser, den Naturkostfachhandel und inhabergeführte Rewe- und Edeka-Märkte beliefern", sagt Valentin Wessels.

Nur wie kommt es dazu, dass ein Bayer von Mitte 20 eine Bonbonfabrik in Rheydt übernimmt - oder, mit anderen Worten: dazu, dass aus der Passion für Süßwaren, die wohl jeder junge Mensch kennt, eine Profession wird? "Ich habe schon mit zwölf Jahren angefangen, mit meinem Großvater die ersten Sahnebonbons zu kochen", erzählt Wessels. Mit 15, noch in der Schulzeit, gründete er seine erste Firma, bis heute hat er weitere Süßwaren-Unternehmungen, die nun jedoch alle am Standort Mönchengladbach zusammengefasst werden sollen. Mit 16 lernte er den damaligen Inhaber der Ehren Zuckerwarenfabrik, Helmut Vossekaul, kennen, der die Firma Ende der 70er übernommen hatte. Man entwickelte zusammen Bonbon-Rezepturen - und irgendwann reifte der Entschluss, selbst in die Verantwortung zu gehen.

Und wie behauptet man sich gegen all die Branchenriesen à la Ricola, obwohl man sich doch mit den gleichen bürokratischen Formalitäten beschäftigten muss? "Mit einer Nischenstrategie", sagt Wessels. "Hier kommen noch viele Leute hin, die als Kinder bei Hubert Ehren Pfefferminzbruch kauften. Menschen, die Geschichten lieben, das sind unsere Kunden." Außerdem betone man die nicht-industrielle Herstellungsweise, wobei der 26-Jährige sich andererseits auch ein wenig scheut, bei seinen Produkten von "Handwerk" oder "Handarbeit" zu sprechen. Zumindest sei es jedoch "harte körperliche Arbeit, so eine Zuckermasse wiegt schnell 60 Kilogramm", sagt er. Aber natürlich verläuft das meiste mechanisch: Beispiel Kirschlollis. Um 5.30 Uhr früh geht es los. Zucker und Glukosesirup kommen in die Kochmaschine, werden mit Wasser aufgekocht. Die entstehende Zuckermasse wird vakuumiert, das Kondensat abgezogen. Dann werden Aromen und ätherische Öle eingearbeitet und auf einem Knettisch geknetet. Anschließend wird die Masse auf einem spitz zulaufenden Zylindern, einem so genannten Kegelroller, geformt und geschnitten. Stiele rein, Lutscher fertig.

Für die Zukunft wünscht sich Valentin Wessels, das Geschäft noch etwas weniger saisonabhängig aufzustellen - klassischerweise wird ab Herbst im Zwei-Schicht-Betrieb produziert, wenn die kalte und damit süße Jahreszeit anfängt. Und: "Ich finde es toll, diese alte Backsteinfabrik in Schuss zu halten, weiterzuentwickeln und neue Jobs zu schaffen." Ob er glaubt, dass ihm der aktuelle Bio- und Gesundheitstrend das Wasser abgraben könnte? Nein. Zwar stelle man längst auch zuckerfreie Produkte und anderes her, "aber wir sind und bleiben eine Zuckerwarenfabrik". Auch wenn er selbst auf Reisen gelegentlich ein Kilo Möhren dabei habe und beim Slow-food-Stammtisch mitmische - er esse seine eigenen Produkte auch sehr gerne. Nur eben als verantwortungsbewusster Verbraucher: "Ein Bonbon ist ein Genussprodukt."

Adresse: Königstraße 115, Öffnungszeiten Werkverkauf: Mo.-Fr. 8 bis 16 Uhr, Telefon 0166 46635, Internet: www.ehren.de.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort