Mönchengladbach Böses Erwachen: SPD muss sich sortieren

Mönchengladbach · Nach dem Schock über den Verlust des OB-Amtes herrscht Betroffenheit bei den Sozialdemokraten. Viel Zeit, sich zu ordnen, bleibt nicht. Parteichefin Angela Tillmann steht in der Kritik. Sie wird zwar geschätzt, ist aber keine Strategin.

 Das Ende eines kurzen Wahlabends - das Ergebnis der OB-Stichwahl steht fest. Der SPD-Oberbürgermeister Norbert Bude hat verloren, SPD-Parteichefin Angela Tillmann schließt entsetzt die Augen, Landtagsabgeordneter Hans-Willi Körfges (l.) wendet sich ab. Enttäuscht sind auch (v.l.) Hermann-Josef Krichel-Mäurer, Felix Heinrichs und Horst-Peter Vennen.

Das Ende eines kurzen Wahlabends - das Ergebnis der OB-Stichwahl steht fest. Der SPD-Oberbürgermeister Norbert Bude hat verloren, SPD-Parteichefin Angela Tillmann schließt entsetzt die Augen, Landtagsabgeordneter Hans-Willi Körfges (l.) wendet sich ab. Enttäuscht sind auch (v.l.) Hermann-Josef Krichel-Mäurer, Felix Heinrichs und Horst-Peter Vennen.

Foto: Reichartz

Gestern Morgen hatte Norbert Bude einen Termin, vor dem er am Abend seiner Wahlniederlage Bammel hatte: Er musste Jubilare ehren. "Da werden Gefühle hochkommen, die ich dann nicht so gut steuern könnte", sagte er. Bude hat die Klippe prima umschifft. "In 25 Jahren", so sagte er zu den Jubilaren, die 25 Jahre und länger bei der Stadt arbeiten, "sieht man viele Oberstadtdirektoren und Bürgermeister kommen und gehen. Aber es geht weiter, und heute geht es nur um Sie." Und beim Abschied von den Geehrten sagte er: "Wir haben eine kurze Woche. Da muss ich mich beeilen, mein Büro leer zu räumen. Das wird meine letzte Herausforderung."

Schon vor einigen Tagen, als er allerdings davon ausging, dass er Oberbürgermeister bleiben würde, hatte Bude in der Fraktion seinen Verzicht auf das Ratsmandat erklärt. Der Noch-OB, der am Sonntag, 22. Juni, aus dem Amt scheidet - laut Gesetz ist dafür der 22. Tag nach Beginn der Wahlperiode, die am 1. Juni begann, vorgesehen - steht zwar auf Platz 1 der Reserveliste. Das hat aber mehr symbolische Bedeutung, die deutlich machen soll, dass der OB die wichtigste Person einer Partei bei einer Kommunalwahl ist. Mit Budes Verzicht rückt Heike Adolphs in den Rat nach. Die SPD hat im neuen Rat nun zumindest geschlechtermäßig eine Idealverteilung: zehn Frauen, zehn Männer.

Doch ansonsten herrscht Betroffenheit vor, auch ein deutliches Grummeln ist aus der sozialdemokratischen Ecke zu hören. Fakt ist: Die SPD muss sich kurz-, mittel- und langfristig anders aufstellen. Mit Norbert Bude ist der Partei ein Grundpfeiler weggebrochen. Richtig verankert ist nur noch der Landtagsabgeordnete Hans-Willi Körfges, erst relativ frisch einbetoniert sind die Bundestagsabgeordnete Gülistan Yüksel und der neue, mit 25 Jahren sehr junge Fraktionsvorsitzende Felix Heinrichs. Bei ihnen lässt sich noch nicht sagen, wie erfolgreich sie sein werden.

Im September fällt die nächste wichtige Personalentscheidung an: Die SPD wählt in Gladbach einen neuen Parteichef. Die derzeitige Vorsitzende Angela Tillmann ist angeschlagen, genießt nicht mehr die Rückendeckung in breiten Parteikreisen. Ihr wird vor allem mit angelastet, dass es beim Nominierungsparteitag der SPD, als die Ratskandidaten gewählt wurden, zu einem Eklat um Barbara Gersmann gekommen ist, der beim Parteitag in aller Schärfe ausgetragen wurde. In diesen Konflikt wurden OB Norbert Bude und der ehemalige Fraktionschef Lothar Beine einbezogen. Es gibt viele Sozialdemokraten, die heute sicher sind: An diesem Samstag hat die SPD tatsächlich die Oberbürgermeisterwahl verloren.

Tillmann ist menschlich integer und wird wegen ihrer sozialen Kompetenz sehr geschätzt. Aber sie kann eine Partei nicht mitreißen, gilt nicht als Kärrner und als Terrier, der mit klaren Ansagen die auseinander driftenden Parteimitglieder zur Räson bringt und Flügelkämpfe verhindert. Und die gibt es weiterhin: etwa zwischen der eigentlichen SPD-Hochburg Rheydt und der im Vergleich dazu eher schwachen SPD in Alt-Gladbach. Zwischen den Pragmatikern, die bürgernahe Politik machen wollen, und den Ideologen, denen es um politische Positionen geht. Und zwischen den Kreisen, die mit der CDU eine große Koalition bilden wollen, und den Kräften, die nur in Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün denken.

Und wenn die Sozialdemokraten mit der Wahl eines Parteichefs vermeintlich ruhiges Gewässer ansteuern, gilt es schon wieder, sich voll auf die Landtagswahl zu konzentrieren. Die ist zwar erst 2017, doch ein gutes Jahr vorher sollten die Kandidaten für die beiden Wahlkreise - Süd und Nord - feststehen. Wieder ein paar Monate vorher werden die ersten Namen gehandelt, gehen die Positionskämpfe los - das wäre also irgendwann im nächsten Jahr. Da für Ruhe zu sorgen, ist der wichtigste Job der neuen Frau oder des neuen Mannes an der Parteispitze. Selbst ein neuer Kandidat für den OB-Posten für 2020 muss, wenn es kein Schnellschuss werden soll, mittelfristig aufgebaut werden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort