Mönchengladbach Bewährungsstrafe und Stadionverbot für Köln-Ultra

Mönchengladbach · Ein führendes Mitglied der "Boyz" verprügelte einen Borussia-Hooligan und stand jetzt vor Gericht.

Das Hemd gebügelt, die Haare ordentlich frisiert, der Blick wach und freundlich: Der Mann, der am Mittwoch in Saal 29 auf der Anklagebank des Kölner Amtsgerichts sitzt, sieht nicht aus wie einer, der auf Randale und Krawall aus ist. Er hat gerade seinen Master in BWL gemacht und einen guten Job in Aussicht, wie sein Verteidiger sagt. Einen Großteil seiner Freizeit hat der 30-Jährige bisher dem 1. FC Köln gewidmet - und bei Schlägereien mit rivalisierenden Fans mitgemischt. Er ist führendes Mitglied der Kölner Ultra-Gruppe "Boyz". Angeklagt ist er wegen gefährlicher Körperverletzung. Er soll nach einem Auswärtsspiel des 1. FC Köln in Wolfsburg am 10. September 2016 am Düsseldorfer Hauptbahnhof einen Gladbacher Hooligan getreten haben, der bereits am Boden lag. Die Gladbach-Fans waren auf dem Rückweg vom Auswärtsspiel in Freiburg.

Im Düsseldorfer Bahnhof kam es zur kurzen, heftigen Zufallsbegegnung: Die Gruppen prügelten sich erst unten in der Passage, dann auf dem Bahnsteig. Ein Gladbacher blieb ohnmächtig liegen, rutschte zwischen einen stehenden ICE und den Bahnsteig, seine Kumpels versuchten, ihn in den Zug zu zerren. Ein Video, das am Mittwoch im Prozess abgespielt wird, zeigt die Szene. Der Angeklagte "stiefelt auf den ein, der am Boden liegt", wie der Staatsanwalt sagt. "Eine lebensgefährliche Situation." Welche Verletzungen der Hooligan davongetragen hat, ist ungeklärt. Er hat sich nie bei der Polizei gemeldet. Das Gericht muss deshalb davon ausgehen, dass er nicht ernsthaft verletzt wurde.

Der Angeklagte legt ein Geständnis ab - über eine Erklärung, die sein Verteidiger vorliest: "Mein Mandant hat den ganzen Tag Bier getrunken - die Erinnerung an das Ganze liegt eher im Dunkeln", sagt der Anwalt. "Eigentlich würde er einen wehrlosen Gegner nie treten." Der Vorwurf, dass er es trotzdem getan habe, habe bei dem 30-Jährigen zu einem Umdenken geführt. "Er will ein Anti-Gewalt-Training machen und mit seiner Vergangenheit aufräumen." Der Angeklagte hat mehrere Vorstrafen wegen Körperverletzung, am Tattag stand er noch unter Bewährung.

Der Staatsanwalt fordert ein Jahr und drei Monate Haft sowie die Aussetzung der Strafe zur Bewährung. Gegen den Angeklagten spreche die Verwerflichkeit der Tat und die Tatsache, dass die Hooligans ihre "Jungmännerrituale" an jenem Tag in aller Öffentlichkeit ausgetragen hätten - an einem belebten Bahnhof. "Sie glauben, die gesellschaftlichen Regeln ignorieren zu können", sagt der Staatsanwalt. Der Angeklagte war auch bei einer Massenschlägerei am Kölner Rudolfplatz dabei, bei der vor drei Jahren ein Hooligan fast totgeprügelt worden war. Da er nun einen Job in Aussicht habe und seit jenem Tag im September 2016 nicht mehr straffällig geworden sei, sei eine Bewährungsstrafe vertretbar.

Der Vorsitzende Richter sieht das ähnlich: "Wir wollen Ihnen die berufliche Perspektive nicht kaputt machen: Im Knast kosten Sie uns mehr", sagt er zum Angeklagten. Er folgt dem Antrag der Staatsanwaltschaft und legt die Bewährungszeit auf drei Jahre fest. Der 30-jährige FC-Fan erhält eine Auflage, die für ihn schmerzhaft sein dürfte: Innerhalb dieser drei Jahre darf er sich kein Spiel seines Vereins im Stadion ansehen, weder zu Hause in Köln noch auswärts. Es müsse sichergestellt sein, dass er nicht wieder in ähnliche Situationen komme.

Über die Schlussbemerkung, dass der Verein wahrscheinlich ohnehin in der kommenden Saison in der Zweiten Liga spiele, kann der Angeklagte nur gequält lächeln.

(hsr)
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