Mönchengladbach Bettensteuer gefährdet Existenzen

Mönchengladbach · Andreas Graf, Kreisgruppenvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, erklärt, was er vom Wegfall der Sperrstunde hält. Er berichtet, wie sich Konzerte und Fußballspiele auf die Übernachtungszahlen auswirken. Und er erzählt eine kuriose Hotelgeschichte.

Seit Donnerstag gibt es keine Sperrstunde mehr in der Altstadt. Halten Sie das für richtig?

Graf Die Altstadt-Initiative und der Club der Wirte haben das angeschoben. Wir als Dehoga meinen: Neuerungen, die für weniger Bürokratie sorgen, sind gut. Ich war aber überrascht, als Polizei und Ordnungsamt erklärt haben, dass diese Maßnahme für mehr Sicherheit in der Altstadt sorgen werde. Ein geordneter Rückzug der Gäste schien immer ein Problem darzustellen. Die Polizei hat nun initiiert, dass man sich zwei- bis dreimal im Jahr mit allen Beteiligten trifft. Das halte ich für sehr gut.

Tut sich etwas in der Altstadt?

Graf Der Bereich wird sich im kommenden Jahrzehnt radikal verändern. Wenn im Herzstück etwas Großes wächst wie mit den Mönchengladbach-Arcaden, dann bewirkt das auch etwas im Umkreis von drei bis vier Kilometern.

Der Dehoga erwartet also mehr Gastronomen?

Graf Genau. Neue Gastronomie-Betriebe mit neuen Konzepten, wobei die Alten bestehen bleiben. Es wird sicher mehr und auch neues Publikum in die Stadt kommen. Es wird eine Druckwelle die Waldhausener Straße herunter geben, und von der Santander Bank kommt eine positive Gegenentwicklung Richtung Altstadtkern. Ich hoffe, dass wir in zehn, 15 Jahren mit der Altstadt wieder da sind, wo wir in den 70er und 80er Jahren waren.

Und die Arcaden sind der Schlüssel?

Graf Das kann ein Motor sein. Da müssen wir Fahrt aufnehmen, um den Anschluss an andere Kommunen herzustellen. Wenn man von 100 Zentimetern in den nächsten Jahren nur zehn schafft, dann ist man schon ein gutes Stück weiter.

Sie loben die Zusammenarbeit der Behörden und Gastronomen beim Thema Sperrstunde. Wünschen Sie sich bei der Bettensteuer auch mehr Miteinander?

Graf Zu dem Thema muss ich etwas vorweg sagen: Viele haben nicht verstanden, worum es bei der Reduzierung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen ging. Es ging im Kern um eine Vereinheitlichung von Steuersätzen im europäischen Raum. Es sollten europaweit gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden, und das war eine berechtigte Forderung. Dass das über eine Partei in den Gesetzgebungsprozess kommt, ist ein ganz normaler Vorgang! Und wer der FDP in diesem Punkt Klientelpolitik vorwirft, betreibt Augenwischerei. Je nach Blickwinkel machen alle Parteien Klientelpolitik.

Sie lehnen eine Bettensteuer für Mönchengladbach aber ab?

Graf In einigen Städten werden Beträge zwischen einem und drei Euro erhoben, die zudem an Restriktionen gebunden sind. In Trier zum Beispiel nur bis zur siebten Nacht, in Bingen maximal vier Nächte. Wenn die Stadt Mönchengladbach fünf Euro erheben will, muss sie dies nach dem Gleichheitsgrundsatz von allen Beherbergungsbetrieben tun, also sowohl von großen Hotels wie auch von Pensionen und Jugendherbergen. Und da sind fünf Euro schnell zwischen 20 und 30 Prozent des Übernachtungs-Preises. Das ist stark existenzgefährdend.

Eine Bettensteuer mit Augenmaß wäre ein Kompromiss?

Graf Es muss zunächst die Gesetzmäßigkeit einer solchen Steuer festgestellt werden. Wir als Dehoga werden die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Steuer prüfen lassen, und zwar bis zur letzten Instanz. Wenn dann unabhängige Richter wider Erwarten für eine Bettensteuer votieren, muss man überlegen, was wirtschaftlich vernünftig und nicht existenzgefährdend ist. In Köln wird derzeit ein Prozess um die Bettensteuer geführt.

Was bringt Ihnen die Frauenfußball-Weltmeisterschaft?

Graf Das muss man differenziert sehen. Wir haben ein gewisses Buchungsvorkommen vor den einzelnen Spielen. Da die Fifa aber entschieden hat, Mannschaften, Presse und Fifa-Offizielle in Düsseldorf und Köln unterzubringen, wird eher bei der Gastronomie eine Mehrfrequenz zu erwarten sein als in den Hotels.

Wer übernachtet hier während der WM?

Graf Vor allem Fans.

Lohnt sich die WM für Sie?

Graf Für die Gastronomie wird das sicherlich einen positiven Aspekt haben. Ein Konzert im Hockeypark aber bringt den Hotels viel mehr als ein Spiel der Frauen-WM. Bei Sting hatten wir etwa 20 Zimmer an Konzertbesucher vermietet, bei Bryan Adams waren es noch mehr. Herr Hilgers macht dort einen tollen Job. Den Effekt hätte man sich auch für die WM gewünscht.

Sting hat im Breidenbacher Hof in Düsseldorf übernachtet, die Mannschaften und Offizielle werden woanders untergebracht: Fehlt in Mönchengladbach ein Spitzenklasse-Hotel?

Graf Eindeutig nein! Wir haben sehr gute Vier-Sterne-Hotels, wo ein Sting wohnen könnte. Die Bundesliga-Gastmannschaften wohnen auch hier, also könnten doch auch die Frauen-Nationalmannschaften in Mönchengladbach untergebracht werden. Die Frage ist doch, was der Veranstalter will. Mit einem Hotel-Neubau im Fünf-Sterne-Bereich löst man vielleicht die Probleme von Sting, aber die Frage sei erlaubt: Wird es an den anderen 360 Tagen am Markt gebraucht?

Was bringt sonst Übernachtungen?

Graf Vor allem Geschäftsreisende und die großen Messen in Düsseldorf. Da ist es wichtig, den Kontakt zu halten. Denn Düsseldorf rüstet mächtig auf. Bei uns wird es ab 2014 vom Wirtschaftsvolumen her weniger mit den Messen werden. Wenn die Sondereffekte aber weniger werden, und dann noch eine Bettensteuer kommt, dann ist das hoch mittelstands-gefährdend.

Wie macht sich der Klassenverbleib von Borussia im Umsatz bemerkbar?

Graf Am Umsatz hätte ein Abstieg so viel gar nicht verändert. Borussia hat so treue Fans, die kommen auch in der Zweiten Bundesliga. Die weit entfernten Borussia-Fanclubs machen es aus, nicht die Gästefans. Aber so ist es natürlich am besten für alle. Ich bin seit Mai 1998 selbst Mitglied.

Gibt es bei Ihnen Leute, die alle 17 Heimspiele durchbuchen?

Graf Ja. Zwei bis drei Ehepaare, die für Borussia ihren gesamten Urlaub einteilen. Da gibt es kein Mallorca, nur Borussia.

Sie sind viel auf Messen unterwegs. Womit locken Sie Gäste nach Mönchengladbach?

Graf Wir haben einiges zu bieten: Eine schöne Altstadt mit dem Museum und der Abtei; nur wird die Altstadt unter Wert verkauft. Und wir haben einen hohen Erholungsfaktor auch innerhalb der Stadt. Das ist zu wenig bekannt. Es gibt viel zu tun, das nach außen zu bringen. Andere Städte haben über 40, 50 Jahre ein Image entwickelt. Wenn wir in den 60er Jahren angefangen hätten, wären wir weiter. Tourismus ist etwas Langfristiges. Da muss man zunächst zwischen zehn und zwanzig Jahren die Grundlagen schaffen.

Was halten Sie davon, ein Hygiene-Barometer an Gaststätten einzuführen?

Graf Grundsätzlich stehen wir dem Thema Hygiene positiv gegenüber. Aber wir wollen ein gerechtes System. Die Lebensmittel-Skandale der letzten Jahre hatten ihren Ursprung alle im Lebensmittelproduzierenden oder vertreibenden Gewerbe. Da muss man dann auch alles kontrollieren. Im übrigen haben wie in Deutschland die Logistik gar nicht, um Gerechtigkeit bei den Kontrollen zu gewährleisten. Natürlich müssen die schwarzen Schafe herausgefiltert werden, aber das macht das Ordnungsamt der Stadt Mönchengladbach schon sehr gut.

Was war Ihr tollstes Erlebnis als Hoteldirektor?

Graf Leider kein Gutes! Ende November hatten wir einen kuriosen Fall: Ich habe morgens einen Anruf bekommen, dass auf der ersten Etage sämtliche Toiletten ausgeräumt wurden: Armaturen, Seifenspender – alles war weg. Als wir die Kameras im Hotel ausgelesen hatten, wussten wir, dass der "Übeltäter" noch im Haus ist. Dann haben wir das Sicherheitspersonal verstärkt. Gegen 23 Uhr am Abend fiel dann ein Gast auf, der anfing, die Weihnachtsbäume abzubauen. In der Tiefgarage im Kofferraum haben wir auch die Einrichtung unserer WCs gefunden.

Sie sind nun 52 Jahre. Bleiben Sie in Mönchengladbach?

Graf Ja, ich fühle mich in Mönchengladbach sehr wohl, und ich bin hier so engagiert, zum Beispiel im Brauchtum, da ist schon ein sehr hoher Bindungsgrad vorhanden.

Das Gespräch führten Ralf Jüngermann, Andreas Gruhn und Gabi Peters .

(RP)
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