Ein Besuch vor Borussias Spiel in München Gladbachs Bayernstraße liegt in Eicken

Mönchengladbach · Wie kann es ausgerechnet in der Nähe der Geburtsstätte der Borussia eine solche Straße geben? Und kann man da als VfL-Fan überhaupt hinziehen? Unser Autor hat sich einmal entlang der Bayernstraße in Untereicken umgesehen.

 Das Straßenschild beweist es schwarz auf weiß: In Mönchengladbach gibt es tatsächlich eine Bayernstraße.

Das Straßenschild beweist es schwarz auf weiß: In Mönchengladbach gibt es tatsächlich eine Bayernstraße.

Foto: Arnold Küsters

Ein plötzlicher Steilpass in die Tiefe des Raums: die Bayernstraße in Eicken. So ließe sich der Stadtplan lesen. Ausgerechnet Eicken. Eine Bayernstraße mitten im Schoß des Mythos. Was mag sich die Mannschaft der Stadtverwaltung dabei gedacht haben? Man möchte am Fußballverstand der Planer zweifeln. Oder war es nur der boshafte Einfall eines Einzelnen. Eines Bayernfans. Ein Zeichen setzen. Klammheimlich an der Abwehr vorbei gespitzelt, und: zack, da steht auch schon das Straßenschild.

Wer vom Eickener Markt kommt und von der Eickener Straße nach rechts abbiegt, hat sie erreicht. Etwa 130 Schritte lang, gefühlt die Länge eines Spielfeldes. Auf der linken Seite eine Häuserzeile aus der Mitte der 90er Jahre. 1995 war Borussia Pokalsieger, gewann in der Saison 95/96 zweimal gegen die Bayern.

Die rechte Straßenseite wird von einer Zeile alter Häuser markiert, die wohl aus der Zeit der Jahrhundertwende stammen. Vielleicht sogar von 1900. Die Häuser und die Daten bilden die historische und die bauliche Klammer für diese kurze Straße. Vor den Gebäuden parken Autos. Auf einem schwarzen Ford Kombi klebt eine Raute. Wie ein Ausrufezeichen. An diesem Morgen allerdings ein eher unauffälliges. Es ist ruhig auf der Straße. Sehr ruhig. Als warte alles auf den Anpfiff.

Wer die Bayernstraße entlang bis zum Ende fährt, vorbei an ein paar Bäumen, die es nicht lohnt zu zählen, stößt auf die Konzenstraße. Sie verstellt den Weg wie ein Abwehrriegel. Dahinter streckt sich ein undefinierbares Grün. Eine Mischung aus Buschwerk, dünnen Bäumen und Wiese. So sehen Industriebrachen aus. Links davon wird es tatsächlich sportlich. Ein Kinderspielplatz. Jedenfalls steht das auf dem Schild. Ein Bolzplatz üblicher Größe. Asche. Was auch sonst. Zwei Tore aus Stahlrahmen.

Im Anschluss an die Spielfläche dehnt sich das Gelände des Kleingartenvereins Alsbroich aus. Über die Gärten wehen Fahnen. Ungewöhnlich viele. Nationalflaggen: deutsche, polnische, spanische, aber auch griechische. Und es wehen etliche mit der Raute im Oktoberwind. Man kann die VfL-Fahnen als deutlich sichtbare Antwort auf die Schmach verstehen. Diese tief empfundene Schmach, eine Bayernstraße akzeptieren zu müssen. Ausgerechnet. Mitten in Eicken, besser in Untereicken.

Wer nun typisch bayerisch klingende Namen auf den Briefkästen und Türanlagen erwartet, wird enttäuscht. Auf der Bayernstraße wohnen – natürlich – weder Ribérys, Lewandowskis noch Boatengs. Eher schon Menschen, Familien, Pärchen oder Singles, die für Gladbacher Verhältnisse völlig normal heißen. War aber auch zu erwarten.

Der Paketbote mit dem gelben Lieferwagen hätte unter Umständen einen Tipp gehabt, wo auf der Bayernstraße ein echter Bayern-Fan wohnt, aber er schweigt. Ihm sind solche familiären Dreier-, Zweier-, oder Viererketten völlig schnurz. Er kümmert sich allein um die Belieferung seiner Kunden mit dem Bestellten oder Unerwarteten. Ob darunter auch Bayernschals oder andere Fanartikel sind, wer weiß das schon.

Fußball wird an der Bayernstraße groß geschrieben. Das liegt nicht nur an dem Bolzplatz am unteren Ende der 30er-Zone. Auch ganz oben. Unmittelbar an der Kreuzung mit der Eickener Straße. 

Das Eickener Brauhaus. Vereinslokal 1. Jägerzug Untereicken, erklärt ein kleines Schild am Eingang. Griechische und deutsche Küche verspricht die Reklame über der Tür. Heimisches Bier. Ob unter deutsche Küche auch Haxe und Sauerkraut zu verstehen ist, lässt sich im Augenblick nicht überprüfen. Auf Plakaten wird zwar darauf hingewiesen: Täglich Frühschoppen von 10 bis 13 Uhr. Drinnen ist aber alles dunkel und die Tür verschlossen.

 Etwa 130 Schritte ist die Bayernstraße in Untereicken lang. Vorne rechts steht das Eickener Brauhaus.

Etwa 130 Schritte ist die Bayernstraße in Untereicken lang. Vorne rechts steht das Eickener Brauhaus.

Foto: Karsten Kellermann

Schräg gegenüber steht eine Frau auf ihrem Balkon. Sie möchte zwar ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, gibt aber dennoch Auskunft. Ja, doch, im Brauhaus da ist schon was los. Vor allem an den Samstagen. Sie gingen eher nicht ins Stadion. Sie hätten dieses Abo von diesem Bezahlsender. Sei ja auch bequemer.

Natürlich ist sie ein Borussia-Fan. Das sei manchmal schon komisch, auf der Bayernstraße zu wohnen. Man werde belächelt, wenn man erzählt, wo man wohnt. Sie fühle sich dennoch wohl. Gesteht am Ende der Unterhaltung aber doch, sie hätten sich damals schon ihre Gedanken gemacht, als VfL-Fans auf die Bayernstraße zu ziehen.

Wobei: Die Bayernstraße hat im Stadtgefüge auch einen dienenden Charakter. Sie ist die Verlängerung der Bergstraße. Und so gesehen der direkte Weg zum alten Bökelberg. Ort der bisher größten Erfolge des VfL. Das mag den Borussenfan ein wenig versöhnen mit diesem verkehrstechnischen Steilpass.

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