Mönchengladbach Berlin, Berlin, ich fahre nach Berlin – und zurück

Mönchengladbach · Seit dem 16. Dezember ist die Stadt durch das Intercitynetz täglich mit Berlin verbunden. Die Alternative ist der Fernbus in die Hauptstadt. Unsere Autorin hat beides ausprobiert – an einem einzigen Tag.

Seit dem 16. Dezember ist die Stadt durch das Intercitynetz täglich mit Berlin verbunden. Die Alternative ist der Fernbus in die Hauptstadt. Unsere Autorin hat beides ausprobiert — an einem einzigen Tag.

Da ist plötzlich dieser schrille Pfeifton in meinen Ohren. Die Lichter im Bus gehen aus, draußen ist es längst schon wieder dunkel. "Wer hat den Notschalter an der hinteren Tür gedrückt?", fragt der Busfahrer. Keiner meldet sich. "Ich muss wissen, was Sie da gemacht haben, sonst geht es nicht weiter!" Es meldet sich immer noch keiner. Wir stehen auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants, irgendwo im Niemandsland zwischen Berlin und Hannover. Ich bin seit mehr als zwölf Stunden unterwegs, allein neun davon habe ich bisher sitzend und ohne Bewegung verbracht. Es meldet sich immer noch niemand, der Bus kann nicht anfahren. Der Platzregen draußen ist nichts im Vergleich zu dem Unwetter, das sich jetzt in meinem Kopf zusammenbraut.

Am 27. Dezember buche ich meine Tickets, eine Reise nach Berlin soll es werden. Hin mit der neuen Intercityverbindung bis Berlin Ostbahnhof, zurück mit einem deutlich günstigeren Fernbus, der dafür länger unterwegs ist: Die Bahn braucht fünf Stunden und 23 Minuten, der Bus acht Stunden und fünf Minuten — planmäßig, versteht sich.

Die erste Hürde begegnet mir bei der Onlinebuchung der Hinfahrt. Offenbar gibt es zwei Dinge, die die Deutsche Bahn nicht leiden kann. Zum einen, wenn jemand online ein Ticket buchen möchte, der kein Benutzerkonto hat — was aus werbetechnischer Sicht ja durchaus noch verständlich ist — wenn man es denn direkt, ganz zu Beginn, ankündigen würde. Zum anderen, wenn der Fahrgast keine Kreditkarte verwendet und sein Ticket lieber per Lastschriftverfahren bezahlen möchte.

Wer nicht mit Kreditkarte bezahlt, muss sich anders ausweisen. Also die Daten des Personalausweises eintippen, Kontoverbindung angeben — Abbruch, weil ich nicht registriert bin. Fällt denen ja früh auf. Zugegeben, wer einmal registriert ist und die Kreditkarte nimmt, hat normalerweise keine Probleme bei der Buchung im Internet. In meinem Fall trifft das aber nun gerade leider nicht zu. Nach 40 Minuten hin und her, Bestätigungen und neuen Eingaben gebe ich entnervt auf und fahre zum Bahnschalter.

Hier dann die positive Überraschung. Ich stehe eine Minute an, nach weiteren vier Minuten ist das Ticket gedruckt, gewünschter Sitzplatz, extra gekostet hat der Service nichts. Wegen der frühen Buchung kostet die Fahrt 68,50 Euro inklusive Sitzplatzreservierung.

Bei MeinFernbus.de geht alles schneller. Registrierung und Buchung sind innerhalb von fünf Minuten abgeschlossen — trotz Lastschriftverfahrens! Das Ganze kostet ebenfalls wegen früher Buchung 25,47 Euro. So einfach kann's gehen.

Also stehe ich Dienstagmorgen pünktlich um 6.43 Uhr im Gladbacher Hauptbahnhof, der IC rollt ein. Internet gibt es in den IC-Zügen zwar nicht, aber immerhin eine Steckdose für den Laptop. Platz zum Arbeiten habe ich genug, auch der deutlich größere Herr mir gegenüber sieht nicht so aus, als müsste er sich im Sitz falten. Die Zeit vergeht, bis auf kleine Ausnahmen ist es die gesamte Zeit ruhig. Am Vormittag erreichen mich erste hämische Kurznachrichten aus dem Bekanntenkreis, ob mir denn schon vom Sitzen alles wehtun würde. Ich verneine zufrieden — nicht wissend, dass die Lage am nächsten Tag ganz anders aussehen wird.

Als wir in Hannover an einen zweiten Zug ankoppeln, gibt es technische Probleme. Abgesehen davon und den unverständlichen zweisprachigen Durchsagen — das mag jede Sprache sein, nur mit Sicherheit kein Englisch — gibt es keine weiteren Zwischenfälle. Um 12.24 Uhr, mit 21 Minuten Verspätung, erreichen wir Berlin Hauptbahnhof. Angesichts der Tatsache, dass diese Verspätung gut und gerne auch schon mal die Regionalbahn zwischen Gladbach und Aachen einfährt, ist das doch kein schlechter Schnitt.

Viel Zeit in Berlin bleibt mir nicht, um 15.30 geht bereits mein Fernbus ab dem Zentralen Omnibusbahnhof, Messe Nord. Eine Viertelstunde früher soll man da sein, ich schaffe eine halbe und ergattere den Platz in der oberen ersten Reihe des Doppeldeckers. Das Publikum ist gemischt, viele junge Leute, aber auch eine Reisegruppe mittleren Alters. Irgendwo unten im Bus habe ich auch eine Dame jenseits der 70 entdeckt. Das angekündigte W-Lan ist offiziell zwar vorhanden, funktioniert in diesem Bus aber scheinbar nicht. Die Steckdose unter meinem Sitz entdecke ich erst gegen Ende der Fahrt. Prasselnder Regen drückt die Stimmung, irgendwie habe ich mir die Busfahrt nicht so anstrengend vorgestellt. Der Zwischenfall am Rastplatz macht das Ganze nicht besser. Fast eine halbe Stunde steht der Bus, bis es weitergehen kann. Gemeldet hat sich die Person, die den Notschalter gedrückt hat, nicht — wie bei einem Klassenausflug.

Wir fahren über Dortmund und Essen, der Kopf kippt immer wieder nach vorne, richtig schlafen lässt sich leider nicht. So gegen 22.30 Uhr passiert erst das wahre Drama des Abends: Irgendwo im Bus öffnet jemand eine Bifi. Dank Klimaanlage dürfen nun alle Fahrgäste zehn Minuten an diesem kulinarischen Ereignis teilhaben. Ich fordere ein Dauerwurstverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln. Und ja, das ist die wichtigste Erkenntnis dieser Reise.

Um 23.54 hält der Fernbus in Gladbach. Über 14 Stunden Rumsitzen liegen hinter mir. Das Fazit fällt eindeutig aus: Ich würde mich, trotz aller Widrigkeiten und der längeren Fahrt, für den Fernbus entscheiden. Das Kriterium ist der Preis, die Busfahrt kostet weit weniger als die Hälfte. Wem das nicht so wichtig ist, fährt mit der Bahn eindeutig bequemer. Trotz Müdigkeit kann ich zu Hause nicht direkt schlafen gehen. Erst muss noch die neu erlangte Bewegungsfreiheit ein wenig genutzt werden. Der nächste Trip nach Berlin dauert auf jeden Fall länger.

(RP)
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