Architektur Spuren des Bauhaus’ in Mönchengladbach

Mönchengladbach · Otto Bartning, der eigentliche Vater des Bauhausgedankens, hat im Stadtgebiet Spuren hinterlassen.

Auch im Verwaltungsgebäude befindet sich heute die Tuchfabrik Willy Schmitz.

Auch im Verwaltungsgebäude befindet sich heute die Tuchfabrik Willy Schmitz.

Foto: Hans Schürings

In Krefeld erklärte jüngst der dortige Oberbürgermeister Frank Meyer: „Krefeld ist die Bauhausstadt in Nordrhein-Westfalen. Keine andere Stadt in unserer Region ist historisch so eng mit dem Bauhaus verknüpft.“ Auch wenn Krefeld mit den Villen Haus Esters und Haus Lange, sowie den Gebäuden der VERSEIDAG von Mies van der Rohe (1886-1969) architektonisch Bedeutsames zu bieten hat, so bedeutet dies keineswegs, dass Mönchengladbach keine Bauhausstadt ist. Auch hier hat das Bauhaus zahlreiche Spuren hinterlassen.

Dabei ist das Schülerinnen-Wohnheim von 1933 des Maria-Lenssen-Berufskollegs an der Mühlenstrasse 33 in Rheydt sicherlich das bekannteste Bauwerk. Meist wurden die in Anlehnung an das Bauhaus in Mönchengladbach errichteten Gebäude der sogenannten „Neuen Sachlichkeit“, um nicht „Funktionalismus“ zu sagen, wie Wohnhäuser, Fabriken, Kirchen, aber auch Grabstätten und Gartenanlagen und einen Steigerturm in Giesenkirchen nicht von namhaften und bekannten „Bauhaus-Architekten“ entworfen.

Ein Name sticht jedoch hervor, der überregionale Bedeutung hat und auch Wesentliches zur Programmatik des Bauhauses beitrug, aber in Mönchengladbach so gut wie unbekannt ist: Otto Bartning (1883-1959). Oskar Schlemmer (1888-1943), der bekannte Künstler und Meister des legendären Bauhauses, bezeichnete ihn als „eigentlichen Vater des Bauhausgedankens“. Gemeinhin gilt Walter Gropius (1883-1969) als der geistige Vater bzw. Kopf des am 1. April 1919 in Weimar gegründeten Staatlichen Bauhauses. Doch schon im November 1918 existierte in Berlin ein „Arbeitsrat für Kunst“ unter Leitung von Bruno Taut (1880-1939), dem neben anderen namhaften Künstlern und Architekten u.a. beide Architekten angehörten und der sich mit der Neuausrichtung des Bauens und der Architekten- und Künstlerausbildung beschäftigte. Sowohl Bartning als auch Gropius waren angesichts der damaligen Ströme und Entwicklungen der modernen Architektur von einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Architektur, bildenden Kunst, aber auch Kunstschulreform, überzeugt. In diesem Arbeitsrat, dem u.a. Künstler wie Käthe Kollwitz, Mies van der Rohe, Hanns Eisler und die Maler Kandinsky, Klee, Feininger, Pechstein und Schmidt-Rottluff angehörten, leitete Bartning den Unterrichtsauschuss und war für die Programmatik und das Curriculum einer neuen Kunsthochschule verantwortlich. Im Januar 1919 (also deutlich vor Gründung des Bauhauses) veröffentlichte er seinen „Unterrichtsplan für Architektur und bildende Künste auf der Grundlage des Handwerks.“

Otto Bartning hat 1923 den Umbau der Fabrik der Gebrüder Aschaffenburg an der Sachsenstrasse 30 geplant.

Otto Bartning hat 1923 den Umbau der Fabrik der Gebrüder Aschaffenburg an der Sachsenstrasse 30 geplant.

Foto: Otto Bartning Archiv Darmstadt/Geschichtswerkstatt

Die Gründung des Bauhauses gilt als ein Alleingang von Gropius, bei dem Bartning aufgrund verschiedener Umstände (u.a. eine längere Krankheit) keine Berücksichtigung fand, seine Ideen aber durchaus umgesetzt wurden. Bartning gilt als Kopf des sogenannten „Zweiten Bauhauses“ oder wie es auch genannt wird, des „Anderen Bauhauses“, das nach Wegzug des unter Leitung von Gropius stehenden Bauhauses im Jahr 1925 von Weimar nach Dessau eingerichtet wurde. Bartning wurde 1926 zum Direktor der in Weimar verbliebenen Staatlichen Hochschule für Baukunst, Bildende Künste und Handwerk (kurz Bauhochschule) ernannt. Im Gegensatz zum Bauhaus von Gropius war der Schwerpunkt der Bauhochschule die Architektenausbildung.

Entworfen bzw. umgesetzt wurden von Otto Bartning nachweislich in Mönchengladbach in den Jahren 1922 bis 1933 neben drei Grabstätten (1921, 1922, 1933) für Familienmitglieder der jüdischen Familie Aschaffenburg, eine Gartenanlage (1925) an der Regentenstrasse 3 (am Wohnhaus von Jsidor Aschaffenburg) und der Umbau, Anbau, Büroneubau sowie die Inneneinrichtung einer Fabrik an der Sachsenstrasse in Eicken. Diese gehörte zur damaligen Zeit den Gebrüdern Otto und Hermann Aschaffenburg, bzw. dem Cousin Ernst Aschaffenburg.Gegründet wurde die Tuchfabrik der Gebrüder Aschaffenburg bereits im Jahr 1897. Die Brüder kamen aus Köln und folgten ihrem Onkel Jsidor Aschaffenburg, der seit 1892 Teilhaber der Weberei J. Frank & Sohn in Mönchengladbach war. Es wurde zunächst in gemieteten Räumen an 20 Webstühlen produziert. Die ersten Produktionsstätten waren an der Künkelstrasse 37 (1903) und Eickener Strasse 314 (1907). Erst ab 1912 bzw. 1913 wurde der Textilbetrieb der Brüder Otto und Hermann Aschaffenburg an der Sachsenstrasse 30 ansässig. Dort entwickelte sich der Betrieb zu einer vollwertigen Tuchfabrik. Der Betrieb der Gebrüder Aschaffenburg war der erste Betrieb in Mönchengladbach, der die mechanischen Webstühle mit riemenlosem Einzelbetrieb (nun mittels Zahnrädern) ausstattete.

Aufgrund wirtschaftlicher Probleme in den Jahren 1928 wurde die Firma 1929 an die Gebrüder Lehusen aus Bremen verkauft. Nach erneuten Schwierigkeiten wurde sie 1937 von einer Kommanditgesellschaft mit den Teilhabern Heinrich Thomas, der Familie Reifenberg und dem Kaufmann Willy Schmitz aus Viersen übernommen. Am 24. Juni 1938 übernahm dann Willy Schmitz alleinverantwortlich die Tuchfabrik. Heute noch werden dort hochwertige Stoffe für die Autoproduktion, für Heimtextilien, Möbel und Mode hergestellt.

Aus der Tuchfabrik der Gebrüder Aschaffenburg wurde die Tuchfabrik Willy Schmitz.

Aus der Tuchfabrik der Gebrüder Aschaffenburg wurde die Tuchfabrik Willy Schmitz.

Foto: Hans Schürings

Hingewiesen werden muss auch auf Entwürfe von Otto Bartning aus den Jahren 1922/23 für eine Gemälde-Halle in Mönchengladbach. Gemeint ist die Unterbringung der von Walter Kaesbach (1879-1961) gestiftete expressionistische Sammlung mit 97 Gemälden, für die man in der Stadt zunächst keine Bleibe fand. Angedacht war diese Galerie an der Hohenzollernstrasse.

Zurück zu Bartning selbst, der heute als expressionistischer Kirchenbauer und führender Vertreter der modernen Architektur in Deutschland gilt. Er war ein tief religiöser, protestantischer Mensch. Er stand zu seiner bürgerlichen Herkunft, was ihn sicherlich von den in Teilen extremen Positionen des Bauhauses unterschied. Er war ein bürgerlicher Baumeister. Er muss, obwohl er nie direkt dem Bauhaus von Gropius angehörte, ebenfalls als ein „Bauhaus-Architekt“ bezeichnet werden.

Er gilt noch heute nach Karl Friedrich Schinkel (1781-1851) als der größte Kirchenbauer Deutschlands, was protestantische Kirchen anbetrifft. Mehr als 150 Kirchen realisierte er. Ruhm erlangte er insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Bau von 42 sogenannten Notkirchen. Dies waren protestantische Kirchen, die mit relativ einfachen Mitteln in Gebieten mit hohen (evangelischen) Flüchtlingszahlen gebaut wurden. Bartning gehörte dem bereits 1907 gegründeten Deutschen Werkbund (DWB) an, und saß von 1919 bis 1923 in dessen Vorstand.

Die erste Tagung des Deutschen Werkbundes nach dem Zweiten Weltkrieg nach der Auflösung 1934 fand in Mönchengladbach statt, an der neben Otto Bartning auch andere namhafte Mitglieder teilnahmen wie Egon Eiermann, Walter Gropius und Ewald Mataré. Diese Tagung des DWB, dem „gestalterischen Gewissen der Nation“, wurde vom 16. – 18. August 1947 im Schloss Rheydt abgehalten und vom Ministerpräsidenten Karl Arnold eröffnet. Gegenstand war die Beratung über die Neukonstituierung des DWB. Otto Bartning hielt hier einen Vortrag mit dem Titel „Architekt und Ingenieur“.

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