Mitarbeiter wollten Betriebsrat gründen Mönchengladbacher Firma wirft komplette Belegschaft raus

Mönchengladbach · Nachdem Mitarbeiter versucht haben, einen Betriebsrat zu gründen, hat eine Mönchengladbacher Firma allen Beschäftigten gekündigt. Die Gewerkschaft Verdi reagierte entsetzt. Das Unternehmen sagt: Lohnsteigerungen durch einen Tarifvertrag hätten wir nicht verkraftet.

 An der Grunewaldstraße in Neuwerk, wo Tiefdruck Schwann-Bagel seinen Sitz hat, ist auch das 2006 gegründete Tochterunternehmen Bagel Direkt GmbH angesiedelt.

An der Grunewaldstraße in Neuwerk, wo Tiefdruck Schwann-Bagel seinen Sitz hat, ist auch das 2006 gegründete Tochterunternehmen Bagel Direkt GmbH angesiedelt.

Foto: Jörg Knappe

Die Bagel Direkt GmbH verpackt und versendet Werbebeilagen. Doch die Broschüre "Einkauf aktuell" sowie andere Einzelhandelswerbung und Postwurfsendungen werden künftig wohl von anderen Mitarbeitern eingeschweißt. Denn wie die Gewerkschaft Verdi am Dienstag mitteilte, entlässt das Unternehmen mit Sitz an der Neuwerker Grunewaldstraße die komplette Belegschaft.

Dies sei am vergangenen Freitag bei einer Betriebsversammlung mitgeteilt worden; einigen der 44 Festangestellten habe man angeboten, im Rahmen eines Werksvertrages weiterzuarbeiten, sagte am Mittwoch Verdi-Gewerkschaftssekretär Jörg Krings.

Darüber hinaus sei auch der Vertrag mit der Zeitarbeitsfirma Pekon, die Bagel Direkt weitere rund 130 Beschäftigte entliehen hatte, gekündigt worden. Der Geschäftsbetrieb solle jedoch aufrechterhalten werden. Schon zuvor sei in dem Unternehmen "unter erschwerten Bedingungen mit einer sehr geringen Entlohnung" gearbeitet worden, so Ernst.

Firmenchef verteidigt sich

Grund für die Entlassungen ist laut Verdi die Absicht der Beschäftigten, einen Betriebsrat zu gründen. Dem widerspricht Geschäftsführer Dr. Udo Bogner, der von einer "Falschaussage" spricht, allerdings vehement: "Damit haben wir überhaupt kein Problem. In anderen Teilen des Konzerns sind Betriebsräte selbstverständlich."

Hinter dem Vorstoß für die Gründung eines Betriebsrats, hinter dem im Übrigen nicht die komplette Belegschaft gestanden habe, habe man jedoch ein anderes Ansinnen vermutet: nämlich einen "Erzwingungsstreiks zur Durchsetzung eines Tarifvertrags mit einer für uns nicht bezahlbaren Kostenstruktur".

Dieser Gefahr einer "politischen Maßnahme Verdis" habe man vorbeugen müssen - und sich entschieden, den Betrieb im Rahmen der gültigen Kündigungsschutzfristen "komplett technisch einzustellen". Auch das Thema Leiharbeit mit insgesamt 170 Mitarbeitern habe man beendet. "Wir wollen den Geschäftsbetrieb aber mit Partnerunternehmen fortsetzen", sagt Bogner. Und man habe den Mitarbeitern angeboten, auf diese Weise unter Anrechnung der Betriebszugehörigkeit zu denselben Konditionen "ohne wirtschaftliche Verluste" weiter für das Unternehmen tätig zu sein. Auch den bisher eingesetzten Leiharbeitern habe man angeboten, den Arbeitgeber zu wechseln.

Bagel Direkt, das seit der Gründung 2006 die Konfektionierung für Einzelhandelswerbung betreibt, wäre durch einen Streik schnell komplett lahmzulegen, sagt Bogner. "Wir hätten dann keinerlei Ausweichmöglichkeiten."

Und eine Lohnsteigerung durch einen Flächentarifvertrag könne man schlichtweg nicht verkraften. Bisher zahle man für Helfer Mindestlohn, in übrigen Bereichen sei man in etwa "vergleichbar mit Logistiktarifverträgen". Einen zweiten Bagel-Standort mit laut Bogner "niedrigeren Produktionskosten" gibt es in Freising bei München.

Für Verdi ist es nichtsdestotrotz die versuchte Betriebsratsgründung, die ursächlich für die Massenentlassung ist. Die von Sekretär Krings dazu einberufene Versammlung war für Donnerstag anberaumt. "Seit gut zwei Wochen wusste das Unternehmen von dem Bestreben, einen Betriebsrat zu etablieren", sagt Krings. "Die Kollegen wollen nichts weiter, als ihr gesetzlich verbrieftes Recht in Anspruch nehmen und erträgliche Arbeitsbedingungen erreichen. Wie passt dies mit der Philosophie eines Unternehmens zusammen, die unter anderem besagt, 'gesellschaftlich verantwortlich zu handeln'?"

Bagel Direkt gehört zur Gladbacher TSB-Druckereigruppe; die Abkürzung steht für Tiefdruck Schwann-Bagel. TSB wiederum ist an die Düsseldorfer Bagel-Gruppe angedockt, die 1801 gegründet wurde und sich darauf beruft, seit über 200 Jahren familiengeführt zu sein.

(RP)
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