Mönchengladbach Auf der Suche nach der Stille

Mönchengladbach · Die neue Atelierstipendiatin der Stadt, Sarah Flore van Sonsbeeck, kommt aus Amsterdam. Ein Dreivierteljahr wird sie im städtischen Atelierhaus Steinmetzstraße arbeiten. Die 34-jährige Niederländerin beschäftigt sich vor allem mit dem Thema "Stille". Die glaubt sie in Gladbach zu finden.

Seit drei Wochen erkundet Sarah van Sonsbeeck ihr neues Wohnumfeld. Von der Steinmetzstraße 31 aus unternimmt sie Touren zu lauteren und stilleren Orten in Mönchengladbach. Denn van Sonsbeecks offenbar bis zur Obsession verinnerlichtes Hauptthema ist "Stille". Ihr erster Eindruck von Mönchengladbach hat denn auch genau damit zu tun: "Hier ist es wirklich still, das ist eine gute Sache", tönt sie fast erleichtert.

Denn in ihrer Amsterdamer Wohnung geht es viel lauter zu. Dort hat die studierte Architektin aus der ständigen Lärmüberflutung, der sie von ihren Nachbarn über ihr ausgesetzt ist, eine künstlerische Tugend gemacht. Sie stellte sich der Aufgabe, ihren Lebensraum unter dem Aspekt Stille bzw. fehlende Stille zu vermessen, analysieren und daraus ein Kunstprojekt zu machen. "Ich fand heraus, dass ich in dem Haus lediglich eine Restfläche von sechs Quadratmetern für mich persönlich zur Verfügung habe", hat van Sonsbeeck ermittelt. Der Rest der Wohnfläche war entweder von möglichen Blickachsen aus Nachbarhäusern oder durch akustische Immission "verbraucht". Folgerichtig versuchte Sarah van Sonsbeeck diesen Verlust an Lebensqualität aus Daten ihrer Monatsmiete zu berechnen und den Nachbarn danach schriftlich in Rechnung zu stellen. Natürlich ohne je eine Antwort zu erhalten.

Der stillste Ort der Niederlande

Wohlgemerkt, Sarah van Sonsbeeck ist kein Fall für den Psychiater, sie versucht, aus einem erkannten Problem eine künstlerische Position zu entwickeln. So erarbeitete sie "Landkarten der Stille" in Almere und Amsterdam, fand auf Anfrage bei einem Experten "den stillsten Platz der Niederlande" heraus. Diesen Ort, ein Waldstück in der Provinz Utrecht, dessen genaue Lage sie nicht verrät, hat sie fotografisch dokumentiert. "Wenn die Stelle bekannt wird, ist es dort mit der Stille schnell vorbei", meint sie. Dafür kann sie sogar den Beweis erbringen: In einem Grüngebiet platzierte die 34-jährige Künstlerin einen gläsernen Kubus, exakt einen Kubikmeter messend. "Nach zwei Monaten war das Objekt zerstört", bedauert die Künstlerin. Doch dann hatte sie Gelegenheit, den Würfel mit den gesplitterten Glasseiten in einer Ausstellung zu präsentieren – und schon fand sich ein Käufer.

Dokumentiert ist auch eine Mess-Aktion auf der Dachplatte der Köln-Philharmonie – wo Skater und Rollkoffer-Passanten eine Geräuschkulisse erzeugen, die drinnen im Gebäude einen messbaren Geräuschpegel verursacht. Dann hat sie eine Kaffeetasse mit Filz umhüllt und so schallisoliert. "Es fasziniert mich, wie still es hier in Mönchengladbach ist", sagt die Künstlerin noch einmal und verheißt, sie werde während ihres Arbeitsaufenthalts "eine Landkarte der Stille dieser Stadt" erarbeiten. Wo sie diese präsentiert, steht noch nicht fest.

(RP)
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