Mönchengladbach Arbeitsmarkt: Deutlich weniger Leiharbeit

Mönchengladbach · Die Zahl der Arbeitslosen ist gestiegen, ebenso die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Wie geht das?

 Bloß nicht vertun: Die absoluten Arbeitslosenzahlen Mönchengladbachs und des Rhein-Kreises nähern sich zwar wieder an. Bei der Bewertung muss man allerdings die unterschiedlichen Arbeitslosenquoten berücksichtigen.

Bloß nicht vertun: Die absoluten Arbeitslosenzahlen Mönchengladbachs und des Rhein-Kreises nähern sich zwar wieder an. Bei der Bewertung muss man allerdings die unterschiedlichen Arbeitslosenquoten berücksichtigen.

Foto: Baum, Andreas (abau)

Mehr sozialversicherungspflichtige Anstellungsverhältnisse, schrumpfende Bevölkerungszahlen — und trotzdem mehr Arbeitslose: Diese auf den ersten Blick mathematische Unmöglichkeit hat das Jahr 2013 dem hiesigen Arbeitsmarkt beschert. Der Satz, den Angela Schoofs, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit, gestern den Dezember-Zahlen beifügte ("Der Arbeitsmarkt ist stabil, dennoch fehlt es ihm derzeit noch wenig an Dynamik") war im abgelaufenen Jahr regelmäßig so zu hören. Und doch fördert eine Analyse der Zahlen diesmal einige überraschende Erkenntnisse zutage.

 Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben, kontinuierlich an. Die Zahlen für das erste Quartal 2014 erhält die Arbeitsagentur erst Mitte Januar.

Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben, kontinuierlich an. Die Zahlen für das erste Quartal 2014 erhält die Arbeitsagentur erst Mitte Januar.

Foto: Agentur für Arbeit Mönchengladbach

MEHR ARBEITSLOSE 2013 war für Angela Schoofs ein "Übergangsjahr". Im Dezember waren 14 933 Mönchengladbacher sowie 14 784 Menschen im Rhein-Kreis Neuss, der mit zum Agenturbezirk zählt, arbeitslos gemeldet — 8,7 Prozent, in absoluten Zahlen 2367 Menschen, mehr als Ende 2012. Der Anstieg gegenüber November fiel, bedingt durch die milderen Temperaturen, zwar moderater als gewöhnlich aus, unter dem Strich steht dennoch: Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit stieg von 28 225 im Jahr 2012 um 5,1 Prozent auf 29 674 in 2013. Die Stadt Mönchengladbach weist somit derzeit eine Arbeitslosenquote von 11,3 Prozent auf (Dezember 2012: 10,6), der Rhein-Kreis hat 6,4 Prozent (Dezember 2012: 5,9). Diese Lücke klafft seit vielen Jahren im Wesentlichen unverändert, dasselbe gilt für den für die Stadt Mönchengladbach deutlich höheren Anteil von Hartz-IV-Empfängern gemessen an der Gesamtzahl der Arbeitslosen (79 Prozent gegenüber nur 67 Prozent im Rhein-Kreis).

 Weniger Menschen verlieren ihren Job, weniger Menschen finden einen neuen – dem Arbeitsmarkt mangelt es an der rechten Dynamik.

Weniger Menschen verlieren ihren Job, weniger Menschen finden einen neuen – dem Arbeitsmarkt mangelt es an der rechten Dynamik.

Foto: Baum, Andreas (abau)

MEHR SOZIALVERSICHERUNGSPFLICHTIG BESCHÄFTIGTE Scheinbar paradox: Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben, an. Das gilt für Gladbach und den Rhein-Kreis gleichermaßen. 219 146 waren es im ersten Quartal 2013 (die neuen Zahlen erhält die Agentur erst Mitte Januar), 1,2 Prozent mehr als im ersten Quartal 2012 (216 589).

 7,5 weniger offene Stellen wurden der Agentur 2013 gemeldet. Zieht man allerdings die Stellen von Zeitarbeitsfirmen ab, gab es ein leichtes Plus.

7,5 weniger offene Stellen wurden der Agentur 2013 gemeldet. Zieht man allerdings die Stellen von Zeitarbeitsfirmen ab, gab es ein leichtes Plus.

Foto: Baum, Andreas (abau)

WENIGER DYNAMIK Die Grafik oben rechts illustriert eine der Hauptursachen für die scheinbar widersinnigen Zahlen: Zwar verlieren weniger Menschen ihre Arbeit — es finden aber auch (noch) weniger Menschen eine. Der Zufluss in die Arbeitslosenstatistik ist also ebenso gebremst wie der Abfluss, es stellt sich Stagnation ein. Hauptgrund dafür ist wiederum, dass aufgrund der konjunkturellen Skepsis weniger offene sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen gemeldet wurden. 12 890 solcher Stellen warb der gemeinsame Arbeitgeber-Service der Agentur und der Jobcenter 2013 ein, 7,5 weniger (1095) als 2012. "Wir haben nicht genug Stellen zur Verfügung, um unsere Arbeitslosen zu versorgen", sagt Angela Schoofs.

WENIGER LEIHARBEIT Ein weiterer interessanter Aspekt, der nicht unberücksichtigt bleiben darf — und der vor allem die gesunkene Zahl der eingeworbenen offenen Stellen relativiert: "Der Rückgang resultiert ausschließlich daraus, dass wir viel weniger offene Arbeitsstellen von Zeitarbeitsunternehmen erhalten haben", sagt Schoofs. Ziehe man diese 1220 Stellen ab, "haben wir sogar ein leichtes Plus". Dazu beigetragen habe nicht zuletzt die positive Entwicklung im Regiopark.

POSITIVE PROGNOSE "Aufgrund der prognostizierten volkswirtschaftlichen Eckdaten kann 2014 von einer leichten Verbesserung ausgegangen werden", sagt Angela Schoofs. Noch mehr als bisher wolle die Agentur an Jugendliche herantreten. Programmatische Schwerpunkte setze man beim Übergang von der Schule zum Beruf, im Segment "Zweite Chance" (Menschen zwischen 25 und 35, denen eine Erstausbildung fehlt) und — dieser Ansatz ist neu — bei frisch Ausgebildeten, die nicht übernommen werden. "Dafür gibt es jetzt ein spezielles Team, das sich derzeit bereits um 200 Ausbildungsabsolventen kümmert", berichtet Doris Schillings, Geschäftsführerin operativ der Arbeitsagentur.

Auch kleine und mittelständische Unternehmen wolle die Agentur noch mehr in den Fokus nehmen, sagt Schoofs. "Hier wollen wir deutlich mehr in die mittel- und langfristige Personalplanung eingebunden werden." Wer den Fachkräftemangel vordenken wolle, dürfe sich nicht mit unbesetzten Stellen zufriedengeben — sondern müsse auch mal bereit sein, "dem auf den zweiten Blick besten Bewerber eine Chance zu geben".

(RP)
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