Mönchengladbach Antigone - schön, mutig, ungehorsam

Mönchengladbach · Das Stück hat Sophokles vor 2500 Jahre geschrieben. Die Botschaft des Dramas ist dennoch aktuell. Es geht um die Macht der Götter, der Herrschenden, der Männer. Die Premiere des Dramas wurde im Theater begeistert gefeiert.

 Links: Joachim Henschke als König Kreon und Vera Maria Schmidt als Antigone. Rechts: Eva Spott als Seher Teiresias, Henning Kallweit als ihr Begleiter und Michael Ophelders mit Saxophon.

Links: Joachim Henschke als König Kreon und Vera Maria Schmidt als Antigone. Rechts: Eva Spott als Seher Teiresias, Henning Kallweit als ihr Begleiter und Michael Ophelders mit Saxophon.

Foto: Stutte

Es dauert am Ende ziemlich lange, bis die Zuschauer applaudieren können. Zu sehr sind sie von dem hochemotionalen Geschehen und von den Riesenleistungen der Schauspieler gefangen. Da fällt das Loslassen schwer. Um so euphorischer und langanhaltender wird dann aber geklatscht. Die Akteure dürfen die Bühne so bald nicht verlassen. Besonders die beiden Hauptdarsteller - Joachim Henschke (König Kreon) und Vera Maria Schmidt (Antigone) - werden frenetisch bejubelt. Zurecht! Und dann ist es so rührend anzusehen, wie der ältere Schauspieler seine junge Kollegin, die gerade ihr Debüt in Mönchengladbach gegeben hatte, an den Bühnenrand führt und sie mit einem Handkuss ehrt. Eine feine Geste.

Die Geschichte ist uralt - Sophokles hat die "Antigone" vor 2500 Jahren geschrieben. Die Bühnenfassung in der Inszenierung von Schauspieldirektor Matthias Gehrt und der Dramaturgie von Thomas Blockhaus ist unfassbar modern. Es geht um die Macht der Götter und der irdischen Herrscher, es geht auch um die Macht der Männer über die Frauen. Etwa wenn Iseme ihre schöne, wagemutige Schwester Antigone davon abhalten will, den gemeinsamen Bruder Polyneikes gegen die Anordnung ihres Onkels und Königs Kreon zu beerdigen. Was sie denn schon ausrichten könnten - als Frauen gegen die Männer?

Die Bühne (Gabriele Trinczek) ist anfangs weitgehend leer, gegliedert nur von einer schlichten Treppe, die zur zweiten Ebene hochführt. Im Laufe der anderthalbstündigen Tragödie versieht die Trauernde - konzentriert und unaufgeregt gespielt von Melina Mänz - den Bühnenboden mit dicken weißen Stumpenkerzen. Der Raum wird enger, die Flammen flackern, die Atmosphäre verändert sich.

Ein weiterer neuer Schauspieler stellt sich in der Inszenierung vor: Henning Kallweit spielt Haimon, den Sohn Kreons. Der ist mit Antigone verlobt und muss ertragen, dass sein eigener Vater seine Braut in eine Felsenspalte verbannt, wo sie sich erhängt. Daraufhin setzt Haimon seinem Leben mit dem Schwert ein Ende. Als seiner Mutter Eurydike (Eva Spott) die Nachricht von seinem Tod überbracht wird, bringt auch sie sich um. Eva Spott spielt auch - ausgesprochen beeindruckend - den Seher Teiresias, der König Kreon ein böses Ende weis-sagt. Als er seine Tat rückgängig machen will, ist es aber zu spät.

90 Minuten lang folgt der Zuschauer gebannt dem Geschehen auf der Bühne. Erlebt einen unfassbar ausdrucksstarken Joachim Henschke (So ein großartiger Charakterdarsteller!) als machtgeilen, dann zweifelnden, am Ende zerbrochenen König Kreon. Ist beeindruckt von Adrian Linke als Wächter und Paul Steinbach als Bote. Wie wandlungsfähig die Schauspieler dieses Ensembles sind, wie spielfreudig, wie überzeugend jeder in seiner Rolle. Auch Anna Pircher als zaghafte, ängstliche Ismene, die vor dem zivilen Ungehorsam Antigones zurückschreckt.

Und dann Michael Ophelders, der den Chor der tibetanischen Alten ersetzt - mit seinem Saxophon und der Musik von Jörg Ostermayer. Vielfach verlässt er die Bühne, kommentiert das Geschehen aus der ersten Zuschauerreihe. Auch das ist frisch und trägt zur expressionistischen Wirkung des Stücks bei. Auf der Premierenfeier ehrte ein begeisterter Generalintendant Michael Grosse alle Beteiligten.

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