Mönchengladbach Ampel-Bündnis ohne Bruchstelle

Mönchengladbach · Frühstücksinterview mit Karl Sasserath, Fraktionsvorsitzender der Grünen und Vorsteher des Bezirks Süd. Er sagt, warum er seinen politischen Überzeugungen immer treu geblieben ist, er kein eigenes Auto besitzt und es einen Bücherei-Neubau geben muss.

 Das hartgekochte Ei kommt aufs Brötchen. Und auf dem Milch-Kaffee ist ein Kakao-Herz. Im Interview sprach Karl Sasserath auch darüber, warum er für die einen "der Karl" und für die anderen ein Feindbild ist.

Das hartgekochte Ei kommt aufs Brötchen. Und auf dem Milch-Kaffee ist ein Kakao-Herz. Im Interview sprach Karl Sasserath auch darüber, warum er für die einen "der Karl" und für die anderen ein Feindbild ist.

Foto: Andreas Baum

"Monika, bitte zwei Milch-Kaffee!" "Okay, Karl!" Wir sitzen im Café Nostalgia mitten im Rheydter Zentrum. Der knappe Dialog macht deutlich: Man kennt sich. Und man schätzt sich. Karl Sasserath, Vorsteher des Bezirks Süd (Rheydt und Odenkirchen) und Fraktionsvorsitzender der Grünen, ist hier häufiger, stellt dann sein Fahrrad vor dem Eingang ab und trinkt einen Kaffee. Und Café-Inhaberin Monika Baum weiß: Ein hartgekochtes Ei muss sie immer auftischen.

Ein Kaffee, dazu ein Brötchen mit Ei. Starten Sie so in den Tag?

Sasserath Das mache ich, wenn ich hier im Café bin. Samstags frühstücke ich mit meiner Lebenspartnerin Ulla Brombeis (Ratsmitglied der Grünen, Anm. d.R.) schon mal hier im Nostalgia. Aber mein Alltag sieht anders aus. Ich stehe um sechs Uhr auf, lese intensiv zwei Tageszeitungen und trinke dazu eine Tasse Kaffee. Danach geht's zur Arbeit.

Für viele sind Sie "der Karl", für andere sind Sie fast schon ein Feindbild. Wie gehen Sie damit um?

Sasserath Ein Feindbild? Bin ich das für einige? Ich will mich jedenfalls nicht verbiegen lassen und versuche, so authentisch wie möglich zu erscheinen. Was ich politisch vertrete, lebe ich auch vor und handele entsprechend. So verzichte ich zum Beispiel ganz konsequent auf ein eigenes Auto und fahre mit dem Rad und mit Bus und Bahn. Das funktioniert. Ich komme aus der ökologischen Bewegung und stehe zu ihren Inhalten und Idealen.

Wie fanden Sie zu den Grünen und in die Politik?

Sasserath In meiner Schulzeit, ich war zeitweise in einem Emmericher Internat, war ich oft Klassensprecher. Da habe ich gelernt, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Aber nicht nur das. Wer Verantwortung übernimmt, bekommt einen Vertrauensvorschuss. Und dem muss man gerecht werden. Während des Studiums der Sozialarbeit hier an der Fachhochschule in Mönchengladbach habe ich zu der damaligen Grün-Alternativen Liste gefunden. Vorher habe ich mich in sozialen Bewegungen und in der Bürgeraktion Umweltschutz engagiert.

Als Mitglied der Grünen . . .

Sasserath Moment. Ich habe zwar Politik für die Grün-Alternative Liste gemacht, aber ich war lange nicht Mitglied bei den Grünen. Da bin ich erst in den 90er Jahren eingetreten. Diese Möglichkeit lassen die Grünen. Auch heute sitzt Anna Bögner im Rat, ohne dass sie bei uns Mitglied ist. Wichtig für uns ist, dass unsere politischen Vertreter für Inhalte ökologischer Politik stehen.

Bei Ihnen hat der politische Gegner immer gerätselt: Ist er jetzt ein grüner Fundamentalist oder ein grüner Realpolitiker? Sie sind seit mehreren Jahren Bezirksvorsteher, die Grünen bilden mit SPD und FDP die Ratsmehrheit. Sind Sie in der politischen Realität angekommen?

Sasserath So würde ich das nicht sehen, das ist mir zu sehr schwarz-weiß. Ich bin meinen politischen Idealen treu geblieben. Aber ich habe als Bezirksvorsteher auch Menschen mit anderen Überzeugungen und Einstellungen respektvoll gegenüberzutreten. Respektlos und arrogant zu sein, gehört nun wirklich nicht zu meinen Charaktereigenschaften. Ich kann mit allen reden. Und Fundi und Realo? In solchen Kategorien habe ich nie gedacht.

Haben Sie sich es denn einmal träumen lassen, Schirmherr eines Schützenfestes zu werden?

Sasserath Ich habe darüber früher nicht nachgedacht. Aber als Bezirksvorsteher und Ratsherr halte ich es für wichtig, Präsenz zu zeigen. Das zeichnete ja über viele Jahre auch die CDU aus: Sie war in den Bezirken und Honschaften präsent und hat sich für die da lebenden Bürger eingesetzt.

Sie hatten als grüner Kandidat für den Rat in Ihrem Wahlkreis ein Ergebnis von mehr als 20 Prozent. Trotzdem lief grüne Politik im Rat meist unter "ferner liefen". Es muss doch zermürbend gewesen sein, Inhalte seltenst durchsetzen zu können?

Sasserath Wer Erfolg haben will, muss hart und fleißig arbeiten. Wir waren lange in der Opposition, und da haben wir gelernt, gewisse Qualitäten zu entwickeln. Und aus rein taktischen Motiven sich anders zu verhalten, das liegt mir nicht. Die Bürger sollen wissen, für was ich stehe, und dann ihre Entscheidung bei der Wahl fällen. Über mein tolles Ergebnis bei der Kommunalwahl 2009 war ich richtig gerührt. Das hat mir gezeigt: Ich bin bei den Menschen angekommen.

Eine Kooperation von SPD und Grünen ist ja nicht ungewöhnlich. Ein Ampel-Bündnis mit der FDP ist es schon. Die Grünen sind eigentlich der Lieblingsgegner der Liberalen.

Sasserath Ich glaube, es war 2009 allen klar, dass wir hier in der Stadt eine Aufbruchstimmung brauchen. Obwohl die Rahmenbedingungen wegen der hohen Schulden der Stadt eher schlecht waren, haben sich SPD, FDP und Grüne zum politischen Wechsel entschlossen. Viele haben uns damals - im Übrigen auch die RP (er schmunzelt) - nicht mehr als zwei Monate gegeben. Das Bündnis besteht immer noch. Und wir machen weiter. Die Soll-Bruchstelle haben wir jedenfalls noch nicht erreicht.

Obwohl es immer wieder im Binnenverhältnis von FDP und Grünen heftig kriseln soll.

Sasserath Es geht in der Politik nicht um Liebe. Hier werden politische Entscheidungen ausgehandelt. Das machen wir. Auch wenn die Sichtweise unterschiedlich ist und vor allem die FDP einen sehr unternehmerischen Blick hat, haben wir gemeinsam im Bündnis alle Aufgaben gemeistert. Und wir Grünen mussten uns dabei nicht verbiegen, aber kompromissbereit sein. Die größte Herausforderung steht uns allerdings jetzt noch bevor.

Sie meinen den Stärkungspakt?

Sasserath Genau. Wir müssen den Haushalt konsolidieren. Da muss man darüber reden, was verzichtbar ist und wo wir reduzieren können. Aber wir Grünen werden keine Entscheidung mittragen, die die Grundlage einer funktionierenden Gemeinschaft zerstört. Wir haben vor mehreren Monaten sogar eine eigene Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit dem Thema beschäftigt und Entscheidungen in unserem Sinne vorbereitet. So etwas gibt es in keiner anderen Ratsfraktion.

Es wird davon gesprochen, dass Steuern und Abgaben erhöht werden.

Sasserath Abwarten. Wir sind jedenfalls der Meinung, dass man die städtischen Töchter mehr im Blick haben muss. Etwa die Stadtsparkasse, die 2011 rund 16 Millionen Euro Überschuss machte und nach dem Abzug der Steuern 4,2 Millionen Euro an die Stadt überwies. Oder die Kreisbau. Von ihr erwarte ich ein deutlich stärkeres Engagement. Im Übrigen auch hier in der Rheydter Innenstadt. Da bin ich mit ihrem Einsatz nicht so zufrieden.

Sie wollen eine neue Bibliothek in der Stadt bauen, obwohl Mönchengladbach sparen muss. Wie passt das zusammen?

Sasserath Stadtkämmerer Bernd Kuckels macht sich selbst für einen Neubau stark. Daran kann man schon ersehen, dass auch er eine Investition in das bestehende, sanierungsbedürftige Gebäude an der Blücherstraße nicht für richtig hält. Auch der Masterplan sieht städtebauliche Impulse vor. Dafür kann ein Bücherei-Neubau sorgen.

Und an welchem Standort?

Sasserath Da gibt's mehrere in der Stadt, die dafür infrage kommen. Aber nicht in Rheydt (er lacht). Wir warten ab, welche Vorschläge uns der Technische Beigeordnete Andreas Wurff macht. Mit seiner Arbeit sind wir im Übrigen sehr zufrieden. Er ist ungemein fleißig.

Würden Sie sich, ein mit 2009 vergleichbares Wahlergebnis bei der Kommunalwahl 2014 vorausgesetzt, dafür einsetzen, das Ampel-Bündnis fortzuführen?

Sasserath Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Dazu ist es noch viel zu früh.

Und Sie selbst? Werden Sie wieder kandidieren?

Sasserath Ich zähle mich jedenfalls nicht zum alten Eisen und werde weiterhin Kommunalpolitik machen. In welcher Funktion muss man abwarten. Die Fraktionschefs von SPD und FDP, Lothar Beine und Dr. Anno Jansen-Winkeln, hören auf.

Könnten Sie auch mit Dr. Hans Peter Schlegelmilch, dem CDU-Fraktionschef?

Sasserath Wir treffen uns schon mal im Eiscafé und reden miteinander (er schmunzelt). Mit ihm tausche ich mich gerne aus. Auch mit Hans Wilhelm Reiners, dem CDU-Fraktionsgeschäftsführer. Wir sind jedenfalls alle gut beraten, miteinander zu sprechen. Das gilt auch für uns Grüne.

Finden Sie genügend - und da vor allem jüngere - Kandidaten für die Kommunalwahl?

Sasserath Da ist mir gar nicht bange. Wir haben einen deutlichen Mitgliederzuwachs und sehr kompetente jüngere Leute gefunden, die sich engagieren. Wir können jede frei werdende Stelle besetzen.

Dieter Weber führte das Interview

(RP)
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