Mönchengladbach Als das DDR-Schulsystem Geschichte war

Mönchengladbach · Hartmut Kienel arbeitete ab 1991 elf Jahre lang im Bildungsministerium des Landes Brandenburg. Dort half er, das Schulsystem der DDR auf das des Westens umzustellen. Am Gymnasium Odenkirchen sprach er als Zeitzeuge.

Die Oberstufenschüler des Gymnasiums Odenkirchen hören gespannt zu. Hartmut Kienel erzählt ihnen, wie nach der Wende das Schulsystem der DDR der Geschichte angehörte und komplett neu gestaltet werden musste. Viele Lehrer mussten ihren Beruf aufgeben, weil sie zu tief in das politische System der DDR verwoben waren oder für die Stasi arbeiteten. Hartmut Kienel half bei der Umstrukturierung kräftig mit.

1938 in Thüringen geboren, wanderte seine Familie in den 50er Jahren nach Westdeutschland aus, wo er unter anderem für die Schulaufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen tätig war. Ab 1991 arbeitete er elf Jahre lang im Bildungsministerium von Brandenburg. "Ich finde es erstaunlich, dass die Wende so friedlich verlief. Das ist von unschätzbaren Wert", sagt Kienel. Anfangs sei alles vollkommen chaotisch gewesen. Hartmut Kienel sollte zuerst Bewerbungen von angehenden Lehrern bearbeiten, dann an einer Konferenz über Schulen für Menschen mit Behinderung teilnehmen. Eine klare Aufgabe hatte er anfangs nicht. Das lag an der damaligen Situation. "Nach der Wende gab es eine riesige Euphorie. Alles, was aus dem Westen kam, war grundsätzlich gut. Das galt für Schulbücher wie für Brötchen", erinnert er sich. So bekam auch er, der in Westdeutschland aufwuchs und arbeitete, seine Stelle. Zwei Jahre nach der Wende habe sich das geändert. Der Hype flaute ab und die Menschen sehnten sich nach ihren gewohnten Ostprodukten.

In der Euphorie seien viele Fehler passiert. "Leitende Stellen wurden an Westdeutsche vergeben", erzählte Hartmut Kienel. Die Ostdeutschen fühlten sich benachteiligt. Auch der Versuch, den neuen Bundesländern das westliche Schulsystem aufzuzwingen, sei falsch gewesen und daher letztlich gescheitert. "Die DDR hatte ein Schulsystem, das dem einer Gesamtschule glich. Danach kamen Oberschulen. Die Schüler blieben zunächst von der ersten bis zur zehnten Klasse zusammen", berichtet Kienel. Die Schulreform änderte alles, doch die Länder zogen nicht so richtig mit. Einige wollten vier Jahre Grundschule, andere sechs Jahre. Mal sollte die Schulzeit zwölf Jahre dauern, mal 13 Jahre. Schließlich wurde ein Kompromiss gefunden. Man legte fest, wie viele Stunden die schulische Bildung umfassen muss. Wie viele Jahre dafür benötigt werden, überließ man jedoch den einzelnen Ländern. Ein Problem waren jedoch die Lehrer. Viele gehörten der SED an oder waren Spitzel des Stasi. Im brandenburgischen Bildungsministerium arbeitete Kienel mit Marianne Birthler, der späteren Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, zusammen. "Sie wollte keine Leute, die der SED angehörten oder Kontakt zur Stasi hatten. Jeder Lehrer musste einen entsprechenden Nachweis erbringen", erinnert sich Hartmut Kienel.

Alleine in Brandenburg verloren insgesamt 4000 Lehrer auf diesem Wege ihre Anstellung. Den Odenkirchener Gymnasiasten erklärte Kienel, dass die Stasi überall Spitzel hatte.

(cli)
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