Mensch Gladbach Alles so schön beige hier...
Meinung | Mönchengladbach · Im Herzen von Rheydt bleibt es dabei: Keine Blumenkübel, keine farbigen Markisen oder Sonnenschirme! Kühle Ordnung und Sichtachsen bestimmen die vom Rathaus ausgerufene Ästhetik. Doch über Geschmack lässt sich durchaus streiten.
Warum gefällt den meisten von uns der Frühling besser als der Winter? Klar, es ist wärmer. Es ist aber auch die Vielfalt. Die Farben, die Fülle an Formen, das schwer zu Bändigende der Natur (Gartenbesitzer können davon ein Lied singen), ja, auch eine gewisse Unordnung, die aber nur scheinbar ist, weil sie doch Gesetzen folgt. Der Winter hingegen ist geprägt von ästhetischem Minimalismus in Grau und Braun, Schwarz und Weiß. Frühling und Sommer liegen dem Menschen näher, von schweren Pollenattacken mal abgesehen.
Weshalb wir über all das nachdenken? Weil die Gestaltungssatzung, die genau regelt, was im öffentlichen Raum der Rheydter Innenstadt zu sehen sein darf oder nicht, diese Woche in der zuständigen Bezirksvertretung zur Nachkontrolle auf der Tagesordnung stand. Gleich vorweg: Die Satzung hat durchaus ihre Berechtigung, weil sie einen ästhetischen Wildwuchs (durchaus der Dominanz von ungebändigtem Unkraut vergleichbar) aus Werbeaufstellern, schrillen Schriftzügen auf Schaufensterscheiben und Ähnlichem eingedämmt hat.
Sie hatte in den vergangenen Monaten aber auch für reichlich Verärgerung und Kopfschütteln gesorgt. Denn einigen Gastronomen und Einzelhändlern, die es ohnehin schon schwer haben, legte sie noch ein paar Steine in den Weg. Alles um der Ästhetik willen: Der Pächter des Ratskellers durfte keine Blumenkübel aufstellen, ein Juwelier, der sein Schaufenster mit solchen Gefäßen schützen wollte, ebenfalls nicht. Eine Ladenbesitzerin sollte den Namensschriftzug ihrer Boutique entfernen, auch mancher Windschutz soll zunächst für rigide Überreaktionen der Zuständigen im Rathaus geführt haben, bis in Einzelfällen doch noch eine vernünftige Lösung gefunden werden konnte.
Umso wichtiger war die Nachjustierung der Satzung, im Fachjargon Evaluierung genannt. Doch verändert wurde wenig: Zwar gilt in einzelnen Straßenzügen nun ein Hauch mehr Lockerheit, doch auf dem Marktplatz und den wichtigen Flanierwegen drumherum soll es bei der kühlen Ordnung bleiben: Keine Blumenkübel, Markisen und sonstiger Sonnenschutz nur in creme und beige, auch die Außenmöblierung ist im Stil klar vorgeschrieben.
Doch wer bestimmt eigentlich, was schön ist? Wir stellen uns vor, dass in einem Rathausstübchen ein genialer Trendaufspürer sitzt, der immer genau weiß, was demnächst in sein wird. Gerne würden wir diesen Menschen kennenlernen und fragen, ob sich sein Geschmack eigentlich mit dem der Bürger in unserer Stadt deckt. Vor allem würden wir uns unbedingt erklären lassen, was so schön an Beige ist. Wir erfreuen uns nämlich an der Vielfalt, wie sie auf Plätzen in Antwerpen, Rom, Prag oder Lissabon zu finden ist. Vermutlich ist das altes Denken.
Genauso wie bei der Sache mit der Sichtachse, die seit geraumer Zeit die ästhetischen Argumente der Stadtplaner bestimmt. Sie darf offenbar durch nichts gestört werden, auch nicht durch Bäume. Die sollen dafür fallen — so ist es für den Platz zwischen St. Vith und Citykirche und für den Marktplatz in Odenkirchen vorgesehen.
Bei so viel kühler Ordnung gehen wir mal zum Aufwärmen in die Vielfalt unseres Gartens. Ein farbenfrohes Wochenende!