Mönchengladbach Alleinerziehende werden diskriminiert

Mönchengladbach · Das Grundgesetz ist eindeutig: Es soll Chancengleichheit herrschen unter den Menschen. Doch täglich erleben Alleinerziehende, dass in der Berufswelt noch immer eine Lücke klafft zwischen Theorie und Praxis. Die deutliche Mehrheit aller arbeitslos gemeldeten Alleinerziehenden ist auch in Mönchengladbach auf Hartz IV-Leistungen angewiesen – rund 3700 Personen, davon der Großteil zwischen 25 und 29 Jahren. Die Mönchengladbacher Allianz, welche sich am Bundesprogramm "Netzwerke wirksamer Hilfe für Alleinerziehende" beteiligt, lud nun unter dem Titel "Alleinerziehend = Hartz IV? - Wege in eine familienfreundliche Beschäftigung" zu einer Fachtagung in die Hochschule Niederrhein.

Im Vorfeld hatte die Initiative eine Befragung von 485 Alleinerziehenden in Auftrag gegeben, die Arbeitslosengeld beziehen. Die anonym Befragten beklagten insbesondere die unzureichende Kinderbetreuung. Doch gaben sie auch persönliche Gründe für die bislang erfolglose Jobsuche an, etwa das Fehlen eines Autos beziehungsweise Führerscheins, den Wunsch, sich um die Kinder zu kümmern, oder aber ihren fehlenden Berufsabschluss. 38 Prozent führten ihr Scheitern auf den Unwillen von Arbeitgebern zurück, Alleinerziehende einzustellen. Relativ einheitlich zeigten sich die Umfrageteilnehmer bei der Frage, welche Anforderungen ein Arbeitsplatz für sie erfüllen müsste. 80 Prozent gaben an, die Arbeit müsse mit den Aufgaben als Mutter oder Vater vereinbar sein. 76 Prozent wünschten sich einen wohnortnahen Arbeitsplatz und 45 Prozent flexible Arbeitszeiten.

Dr. Ann Marie Krewer vom Hochschul-Institut für Forschung und Entwicklung in der Sozialen Arbeit forderte als Konsequenz der Studie insbesondere die Erweiterung der Kinderbetreuung in Schulen und Kindergärten sowie den Ausbau und die Individualisierung von Beratungs- und Umschulungsangeboten. "Noch immer", kritisierte Krewer, "leiden Alleinerziehende bei Arbeitgebern an einem Imageproblem. Sie gelten nicht als belastbar. Es gibt das Vorurteil, dass sie öfter fehlen als andere Arbeitnehmer. Hier sind bewusstseinsbildende Maßnahmen nötig."

Wie dringend diese sind, schilderte im Anschluss eine alleinerziehende Mutter. 100 Bewerbungen hätte sie in den vergangenen Monaten verschickt. Lediglich einen Praktikumsplatz und ein Vorstellungsgespräch hätte man ihr angeboten. "Die Arbeitgeber haben Angst, dass man bei jedem kleinen Schnupfen des Kindes zu Hause bleibt. Das stimmt aber nicht", sagte die ausgebildete Zahnarzthelferin und fügte an: "Kann nicht jede verheiratete Frau schon am nächsten Morgen alleinerziehend sein?"

(RP)
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