Mönchengladbach Allein mit Kind ohne Zukunft?

Mönchengladbach · Anja Kohl hat ein Kind und keinen Job. Sie findet keinen Arbeitsplatz, weil es für Sohn Jannis keine Betreuung gibt. Denn in Gladbach sind Kindergartenplätze für unter Dreijährige rar. Die Folge: Die junge Frau lebt von Hartz IV.

Anja Kohl (25) ist eine hübsche junge Frau. Schwarze Haare, dunkle Augen, freundlich, redegewandt. Anja Kohl hat einen kleinen Sohn. Jannis heißt er, ist zwei Jahre alt, quirlig und ein Sonnenschein. Anja Kohl wohnt in einer liebevoll eingerichteten Dachgeschoss-Wohnung in Rheindahlen-Koch, fernab vom Großstadt-Trubel auf dem Land. Für Anja Kohl müsste der Himmel eigentlich voller Geigen hängen.

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Anja Kohl hat keine Ausbildung, ist Hartz IV-Empfängerin, weiß nicht, wie ihre Zukunft in einigen Jahren aussieht, wenn Jannis aus dem Gröbsten raus ist. Anja Kohl sitzt zwischen vielen Stühlen: Die Arbeitsagentur will, dass sich die allein erziehende Mutter einen Job sucht. Sie findet aber keine Einrichtung, in der sie ihren kleinen Sohn unterbringen kann. Kindergartenplätze für unter Dreijährige sind in Gladbach rar. Und selbst wenn Jannis im März seinen dritten Geburtstag feiert, ist längst noch nicht klar, wie schnell er wo unterkommt. „Aber wir haben beide schon so viel durchgestanden. Wir werden auch das schaffen“, sagt sie, und ihre dunklen Augen blitzen.

Lebenslauf voller Brüche

Anja Kohls Schicksal ist nicht untypisch in heutiger Zeit. Die junge, scheinbar lebenslustige Frau hat einen Lebenslauf, der voller Brüche ist. Als sie zehn Jahre alt war, starb die Mutter. Nach einiger Zeit zog beim Vater eine neue Lebenspartnerin ein, die eine Tochter mitbrachte. Anja Kohl fühlte sich an den Rand gedrängt, verließ mit 15 Jahren das Elternhaus. Die Schule beendete sie mit dem Hauptschulabschluss, jobbte dann in der Gastronomie. Und als sie schließlich eine Ausbildung als Hotelfachfrau machte, schien sie alle Stolpersteine übersprungen zu haben.

Dann kam Jannis – und neue Konflikte tauchten auf. Der Sohn ihres ehemaligen Chefs ist der Vater, und beide, Vater und Sohn, waren, wie Anja Kohl beklagt, nicht erfreut über den Nachwuchs. Mit dem Druck wurde sie nicht fertig, verlor ihre Stelle und verließ über Nacht ihre Wohnung nur mit einem Rucksack. Wieder begann eine Wanderschaft. Die junge Frau kam bei Freunden unter, entband Jannis, fand einen Job in einem Hotel in Koblenz und verlor ihn, als sie ihren damals erkrankten Sohn nicht unterbringen konnte. Sie lag erneut am Boden – und stand wieder auf: „Ich habe mich mehrfach gefragt: Warum machst du das alles? Aber ich habe nie aufgegeben.“

Die überwundenen Probleme in ihrem jungen Leben haben Anja Kohl stark gemacht: „Ich will auf eigenen Beinen stehen, und ich weiß, was ich kann.“ Es gibt einen Silberstreif: Jannis könnte vielleicht bald für täglich sechs Stunden in einem Kindergarten untergebracht werden. Jetzt braucht Anja Kohl noch ein Jobangebot: „Und das muss es doch auch für eine allein erziehende Mutter geben.“ KOMMENTAR

(RP)
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