Mönchengladbacher Arzt über Affenpocken „Die Sorge vor einer neuen Pandemie ist aktuell völlig unbegründet“

Mönchengladbach · Der Kinder- und Jugendarzt Ralph Köllges schätzt das Risiko einer rasanten Verbreitung der Affenpocken gering ein. In einem Gastbeitrag beschreibt er, was genau Affenpocken sind, wie sie sich von anderen Pockenarten unterscheiden – und was ihm Sorgen macht.

 Eine Mitarbeiterin im Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Es wurden bereits mehrere Fälle von Affenpocken in Deutschland registriert.

Eine Mitarbeiterin im Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Es wurden bereits mehrere Fälle von Affenpocken in Deutschland registriert.

Foto: dpa/Martin Bühler

Affenpocken, Kuhpocken, Pocken – worin liegt der Unterschied? Pocken oder auch Blattern sind Bezeichnungen für eine Infektionskrankheit, die durch Pockenviren (Orthopox variolae) verursacht werden. Die Krankheit ist hochinfektiös und zeigt eine hohe Sterblichkeit. Der Erreger lässt nur Menschen erkranken und konnte somit mit einem weit angelegten Impfprogramm mit dem Impfvirus (Orthopox vaccini) als Pflichtimpfung ausgerottet werden. Den letzten Pockenfall diagnostizierte man im Oktober 1977 in Somalia und im Jahr 1980 verkündete die WHO die Pocken als ausgerottet. In zwei Hochsicherheitslaboratoiren (Russland und USA) existieren offiziell noch Pockenviren.

Kuhpocken sind Verwandte dieses Virus. Orthopox bovis sind für alle Säugetiere, inklusive Mensch, infektiös und erzeugen eine Kreuzimmunität zu den eigentlichen Pockenviren. Sie treten als Vairante (Elephantpox) auch als Auslöser der Elefantenpocken auf. Im Jahr 2009 kam es zu einem vermehrten Auftreten von Infektionen mit Kuhpocken im Großraum München. Hier waren sogenannte Schmuseratten die Überträger. Historisch führte die Beobachtung von Edward Jenner 1796, dass Melker an Kuhpocken mild erkrankten und danach immun gegen die originären Pocken waren, zum Impfgedanken, der Vaccination (vacca lat. die Kuh).

Die Affenpocken treten hauptsächlich bei Nagetieren in West- und Zentralafrika auf. Der Affe ist dabei ein Fehlwirt, gibt aber der Erkrankung den Namen. Die Übertragung auf den Menschen gilt als selten, aber bei engen Kontakten ist sie möglich. Der erste Fall von Affenpocken wurde 1970 im Kongo bei einem 9 Monate alten Jungen beschrieben. Seither werden immer wieder Fälle beim Menschen beschrieben. In Europa waren dies bisher importierte Fälle, insbesondere aus Nigeria (2018 GB und Israel, 2019 Singapur, 2021 USA, 2022 wieder aktuell GB). Der erste Nachweis von Affenpocken außerhalb von Afrika wurde 2003 diagnostiziert. Er wurde verursacht durch den Import von Nagetieren aus Ghana und der erfolgten Übertragung auf Präriehunde und danach auf Tierhändler und -besitzer.

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch und Todesfälle traten nicht auf. Mittlerweile weiß man, dass unter bestimmten Bedingungen eine Infektion von Mensch zu Mensch möglich ist. Bei engem Kontakt, Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder dem Schorf der Erkrankten ist eine Übertragung möglich, insbesondere wohl im Rahmen von sexuellen Handlungen. Theoretisch ist auch eine Übertragung durch Atemwegssekrete am Anfang der Erkrankung möglich. Bisher ist es aber nie zu langen Infektionsketten gekommen, sondern die Infektion hat sich durch Isolation und Kontaktbeschränkung immer selbst limitiert.

In Deutschland sind bereits mehrere Fälle bestätigt. Es ist zu erwarten, dass die Zahl noch steigen wird. Die bisher gemeldeten Verläufe beim Menschen waren eher milde. Schwere Verläufe sind sehr selten, traten aber bei einer zentralafrikanischen Virusvariante bei Kindern unter 16 Jahren durchaus auf.

Die Therapie ist in erster Linie auf die Dämpfung der Symptome abzielend. Ein antivirales Medikament ist in der EU für besondere Verläufe zugelassen (Tecovirimat). In der EU ebenfalls vorhanden ist ein Impfstoff gegen Pocken, der im Bedarfsfalle auch in Regionen mit Häufung von Affenpocken eingesetzt werden könnte, um etwa Infektionsketten zu durchbrechen.

Die Befürchtung, dass eine erneute Pandemie auf uns zurollen könnte, ist somit aktuell völlig unbegründet, da sich das Virusverhalten von Orthopoxviren grundlegend von dem der Coronaviren unterscheidet. Aktuell ist es wichtig, dass die Praxen bei Patienten mit unklaren Bläschen aufmerksam sind, insbesondere bei entsprechender Reise- oder Sexualanamnese.

Vielmehr bereitet mir persönlich der mangelnde Impfschutz der Erwachsenen bei Erkrankungen Sorgen, für die bewährte Impfstoffe seit Jahrzehnten zur Verfügung stehen. Hier sollte man nicht auf die täglichen Meldungen von Affenpocken sehen, sondern lieber seinen Impfausweis kontrollieren lassen, damit einem Pneumokokken, Grippeviren und andere Erreger nicht schaden können. Die Impfraten in unserem Land, einem Land mit hervorragender Medizinversorgung, sind leider weiterhin unterirdisch.

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