Mönchengladbach Affe wählt das Mensch-Sein als Ausweg

Mönchengladbach · Felix Banholzer schenkt seinem Publikum einen großen, unvergesslichen Schauspielabend, bevor er das Theater verlässt: Franz Kafkas "Ein Bericht für eine Akademie" in der Inszenierung von Sascha Mey erlebte nun seine Premiere.

 Hinter Gittern: Felix Banholzer als Rotpeter in der Inszenierung von Franz Kafkas "Bericht für eine Akademie". Das Einpersonenstück gelangt zum Abschluss der Spielzeit 2012/13 als zusätzliches Schauspiel in den Spielplan.

Hinter Gittern: Felix Banholzer als Rotpeter in der Inszenierung von Franz Kafkas "Bericht für eine Akademie". Das Einpersonenstück gelangt zum Abschluss der Spielzeit 2012/13 als zusätzliches Schauspiel in den Spielplan.

Foto: Matthias Stutte

Das Äffische an sich, es ist verführerisch. Wenn sich ein Schauspieler und ein Regisseur an Franz Kafkas unerhörten Text "Ein Bericht für eine Akademie" machen, um ihn für die Theaterbühne zu gewinnen, dann steht stets das (abgestreifte) Wesen des Erzählers, des zum Menschen konvertierten Affen mit Namen Rotpeter, im Mittelpunkt ihres Interesses. Das tut dem Verständnis des Textes nicht gut, um so mehr ist es ein Gewinn für die Kunst. Zumindest, wenn ein derart talentierter, ja geradezu besessener Schauspieler wie Felix Banholzer sich der Aufgabe annimmt. Nach der Premiere im Theaterstudio ist Verzückung allgemein im Publikum. Banholzer wird das Haus verlassen, das ist schade. Sein Kafka-Abend erhält so die Gloriole eines Geschenks zum Abschied.

Die Banane birgt er in der bananengelben Tupperbox, statt Fell trägt er Pelz. Und doch ist diesem Rotpeter unzweideutig die äffische Natur anzusehen: Bevor er mit seinem Bericht beginnt — in fließendem, deklamatorisch distanziertem Tonfall — lugt er scheu hinter der Kiste hervor, die wie sein beigebrauner Anzug und die nebenstehenden Podeste dem Zirkusmilieu entstammen. Kurz bellt er, kratzt sich lausend am Kopf hüpft behände auf das Holzgestell, barfuß, stützt sich mit nach Affenart gekrallten Händen am Boden ab, springt dann jäh deckenhoch auf und unmittelbar vors Publikum. Dieser Affe rückt den Besuchern auf den Pelz. Banholzers Artistik ist ein Phänomen. Und die Geschichte, die er erzählt, ungemein fesselnd.

Felix Banholzer und sein junger Regisseur Sascha Mey zeigen unbändige Lust an dieser Doppelnatur, die man dem Ich-Erzähler in Kafkas Text unterstellen mag. Immerhin stammt er aus dem Urwald, wurde auf einer Hagenbeck-Expedition gefangen, im Käfig auf dem Meer nach Europa gebracht. Statt der verlorenen Freiheit wählte er das Menschsein als Ausweg, lernte das Saufen, Sprechen, ahmte die menschlichen Wesen seiner Umgebung nach und erlernte verbissen und bis zur Perfektion die Gewohnheiten und Denkweisen eines durchschnittlichen Mitteleuropäers. Eine Assimilationsleistung, die ihm heute ein angenehmes Leben mit sicherem Arbeitsplatz im Zirkus ermöglicht. Allerdings um den Preis des Identitätsverlustes — zu seiner Jugend, seiner Herkunft hat Rotpeter den Kontakt verloren.

Es ist nun nicht das Anliegen des Teams, Franz Kafkas Text in allen seinen Facetten auszudeuten. Die Vorlage ist stark genug und hält das virtuose, berührende Spektakel schauspielerischer Ausdrucksformen aus, das um sie veranstaltet wird. Felix Banholzers Sprache findet zu einer breiten Differenziertheit, seine Körpersprache grenzt an Artistik. Gerade die Pausen im Text sind mit großer Intensität gearbeitet. Licht, Ausstattung (Silvie Naunheim) und Ton intensivieren Felix Banholzers große Leistung. Der Dauerapplaus sorgte für ein Dutzend "Vorhänge".

(ark)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort