Mönchengladbach Abschied von Ismene

Mönchengladbach · Zum letzten Mal gab Esther Keil die "Schwester von" im Studio des Theaters.

 Viele Jahre lang hat Ismene (Esther Keil) die Tage gezählt, die sie in Einsamkeit verbringt. Irgendwann hat sie es aufgegeben.

Viele Jahre lang hat Ismene (Esther Keil) die Tage gezählt, die sie in Einsamkeit verbringt. Irgendwann hat sie es aufgegeben.

Foto: Matthias Stutte

Ihre Mutter Iokaste erhängte sich, ihr Vater Ödipus stach sich die Augen aus und irrte bis zu seinem Ende blind durch die Welt, ihre Brüder Polyneikes und Eteokles metzelten sich im Kampf um die Macht in Theben gegenseitig nieder. Ihre Schwester Antigone brach das Gesetz, indem sie den Bruder bestattete und dafür in die Verbannung geschickt wurde, wo sie sich strangulierte. "Alle in meiner Familie konnten sich entscheiden", klagt Ismene. "Leider hat sich nie jemand für mich entschieden." Ismene ist die "Schwester von" - den Namen spricht Esther Keil, die die Ismene zum letzten Mal im Studio des Theaters spielte, in ihrem 80-minütigen Monolog nicht ein einziges Mal aus. Sie schildert die Dinge aus ihrer Sicht. Das tut die Schauspielerin beängstigend eindringlich.

Sie leidet, sie trauert, sie wütet, sie verzweifelt, wird kurz aufmüpfig, gelegentlich wehleidig, auch anklagend, und sie richtet das Wort ans Publikum: "Was wollen Sie von mir? Was erwarten Sie?" Eigentlich wollte sie immer nur glücklich sein. Aber sie kann sich an keine Situation erinnern, die sie gern noch einmal erleben würde. Seit 3000 Jahren ist sie schon allein - in einer Nicht-Welt am Ende einer Straße ohne Ziel. Unterbrochen wird ihr monotones Dasein von dem wiederkehrenden Heulen der Hunde und von Fliegen, die manchmal stechen, manchmal nicht. Die sie mit einem Handschlag tötet. Auf einem Quader im hinteren Teil der minimalistischen Bühne (Udo Hesse) liegt bereits ein ansehnlicher Haufen der toten Tiere.

Das Heulen der Hunde, die Musik von Patrick Richard und murmelnde akustische Einspielungen, der fesselnde Monolog der Ismene - das alles verwebt sich zu einem Kokon, der die Zuschauer im dunklen Studio umfängt. Ismene hadert mit ihrem Schicksal, man leidet mit. Sie sagt, dass sie sich eigentlich an die Situation gewöhnt hat, man glaubt es ihr nicht wirklich. Sie hofft, dass endlich jemand kommt, und sie ist irritiert, dass so viele (Zuschauer) plötzlich da sind.

Das Stück von Lot Vekemans hat der junge Regisseur Sascha Mey inszeniert. Das hat er gut gemacht, sehr gut. Und Esther Keil ist die perfekte Ismene. Man würde sich sehr wünschen, dass dies nicht die letzte Aufführung war. Man möchte sich eine Wiederaufnahme wünschen.

(isch)
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