Mönchengladbach Abenteuer, Leid und Tod auf dem Pik Lenin

Mönchengladbach · Stephanie Reichardt wollte den 7134 Meter hohen Berg bezwingen. Sie verzichtete auf das Gipfelglück und rettete einen Kameraden.

"17 Tage Himmel und Hölle" auf dem Pik Lenin
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"17 Tage Himmel und Hölle" auf dem Pik Lenin

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Ruccu Pichincha (4696 Meter), Illiniza-Nord (5116 Meter), Cotopaxi (5897 Meter), Chimborazo (6310 Meter): Diese Berge hat Stephanie Reichardt bestiegen. Diese Höhenangaben machen ihr keine Angst. In der Vulkanbergwelt von Ecuador war die begeisterte Bergsteigerin vor zwei Jahren unterwegs. Dort hat sie die 6000-Meter-Marke geknackt. Und wollte höher hinaus - auf den 7134 Meter hohen Pik Lenin in Kirgistan. Das war ihr erklärtes Ziel - und sie hat es geschafft. Sie war da, sie hat den Berg bestiegen, und sie kam mit sehr widersprüchlichen Gefühlen zurück. "Ich habe 17 Tage Himmel und Hölle zugleich erlebt", sagt sie. Auf der einen Seite die unglaubliche Landschaft, die Höhe, das Abenteuer, auf der anderen vermüllte Camps, rücksichtlose, ausschließlich auf den Gipfel fixierte Kletterer, Höhenkrankheit, Tod.

Vom Basislager in 3600 Metern Höhe ging es hinauf auf 4600 Meter ins erste Camp. "Da hatten wir noch Tragpferde und -esel, die unser Gepäck hinauf schleppten", berichtet Stephanie Reichardt, die bereits mit 13 Jahren ihre erste echte Klettertour absolvierte - und ab dem Moment infiziert war. Mit 20 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken ging es weiter. "In dieser Höhe wird das Atmen schon schwierig", sagt sie. Der Rucksack drückt, die Schritte werden immer langsamer. Da der Pik Lenin zu den leichtesten seiner Höhe zählt, sei die Zahl derere, die ihn bezwingen wollen, extrem hoch. "Aber nicht jeder ist geeignet." Deshalb nehme bei zunehmender Höhe die Masse der Teilnehmer deutlich ab. Unbelehrbare riskieren, beim Aufstieg zu scheitern. "Sie haben nur den Gipfel im Blick", sagt Stephanie Reichardt. "Manche hätten ihre Mutter da sterben lassen, um ihr Ziel zu erreichen."

Tatsächlich gab es bei der Tour einen Toten. "Der lag da, in Plastikfolien gewickelt - es war schrecklich." Andere hätten an der Höhenkrankheit gelitten. "Man muss am Tag vier Liter Wasser trinken, das heißt auch, dass man ständig damit beschäftigt ist, Schnee zu schmelzen." Je höher sie kam, desto stärker war die Kälte - minus 20 Grad musste sie ertragen. "Nachts holten wir die Schuhe mit in den Schlafsack, sonst hätten wir die am nächsten Tag nicht anziehen können."

Stephanie Reichardt hat den Gipfel des Pik Lenin nicht erreicht. Gemeinsam mit zwei anderen aus ihrer Seilschaft musste sie einen an Höhenkrankheit leidenden Kameraden von 6500 Höhe hinunter ins Basislager bringen. "Es ging um Leben und Tod." Auf dem 6210 Meter hohen Gipfel des Razdelnaya hat sie dann doch noch die Arme hochgerissen - vor Freude und fürs Foto. Sechs Kilo hat sie bei der Reise verloren, oft auch den Glauben an die Moral im Menschen. Aber klettern wird sie wieder - das ist sicher. Und wahrscheinlich noch höher.

(RP)
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