Mönchengladbach 14 neue Stolpersteine für Gladbacher NS-Opfer

Mönchengladbach · Gunter Demnigs Gedenktafeln für NS-Opfer sind ins Straßenpflaster verlegt - und doch Stolpersteine, die innehalten lassen. Gestern fügte er den vorhandenen 241 Gedenksteinen 14 weitere hinzu.

 Günter Demnig verlegt auf der Berger Dorfstraße vor dem Standort der ehemaligen Synagoge einen weiteren Stolperstein.

Günter Demnig verlegt auf der Berger Dorfstraße vor dem Standort der ehemaligen Synagoge einen weiteren Stolperstein.

Foto: Hans-Peter Reichartz

Mit nur wenigen Schlägen hatte Gunter Demnig die erste kleine Gedenktafel fachgerecht im Boden versenkt. Im Nachhinein betonte der Künstler: "Für mich ist nicht der Stein das Kunstwerk, sondern, dass wir hier zusammen sind für alle Opfergruppen der NS-Zeit." Der noch glänzende Stolperstein an der Berger Dorfstraße 27 ist einer von insgesamt 57.000, die Demnig bereits verlegte, und dieser erinnert nun an Hilde Sherman.

Sie war einst in Wickrathberg zuhause und überlebte anders als ihre Eltern Albert und Paula Zander, ihre Geschwister Herbert und Ruth sowie ihr erster Ehemann Kurt Winter den Holocaust. An Eltern und Geschwister erinnern bereits seit sechs Jahren die ihnen gewidmeten Stolpersteine. Diese tragen die dunkle Tönung einer mit den Jahren angesetzten Patina, während Hilde Shermans Tafel daneben geradezu funkelt. Für Olga Goldberg, die Sherman 1989 bei einer Einladung der Stadt an ehemalige jüdische Bürger kennenlernte und den Kontakt bis zu deren Tode aufrechterhielt, hatte das Leuchten im Sonnenlicht symbolische Bedeutung. "Sie war für mich eine strahlende Frau - trotz der schrecklichen Dinge, die sie erleben musste", erklärte sie.

Oberbürgermeister Hans-Wilhelm Reiners war erfreut, dass so viele zur Verlegung des Stolpersteins gekommen waren. Er stellte wichtige Etappen aus Shermans Leben vor, das von Mönchengladbach aus in verschiedene Lager sowie Gefängnisse und nach der Befreiung nach Kolumbien und Jerusalem führte. Bürgermeister Ulrich Elsen las einen Auszug aus Shermans 1984 in Deutsch erschienenem Buch "Zwischen Tag und Dunkel. Mädchenjahre im Ghetto". Die Autorin schilderte anschaulich, wie die kleine Synagoge in ihrer Nachbarschaft verwüstet wurde und ein Lehrer gar mit Schulklasse die Zerstörung fortsetzte. Eveline Hicke-Bachmann, Patin des Stolpersteins für Shermans Mutter, legte Blumen an die neue Gedenktafel. Sie hatte mit Sherman bis zu deren Tode 2011 über mehrere Jahre korrespondiert. Hicke-Bachmann kennt ebenso deren Tochter Ruth, die im vorigen Jahr an diesem Ort des Gedenkens stand und von der Mutter erzählt hatte. Sie habe keinen Hass gehegt, gab Hicke-Bachmann die Worte der Tochter tief berührt wieder.

Der neue, noch glänzende Stolperstein ist neben den älteren nun Teil des weltweit größten dezentralen Mahnmals, das Demnig entwickelte, um an Menschen zu erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, verhaftet, deportiert, vertrieben, ermordet oder in den Selbstmord getrieben wurden.

Der 1947 geborene Kölner Künstler erinnert an die Opfer mit kleinen Gedenktafeln, die von einem angegossenen Betonwürfel getragen werden. Die von Hand eingeschlagene Beschriftung nennt sachlich und dabei doch erschütternd Eckdaten zu Geburt, Deportation und wenn möglich Todesdatum. Sie gibt den Opfern, die in Konzentrationslagern nur eine Nummer trugen, ihren Namen wieder. Oft genug zeigt ein Fragezeichen, dass über den Verbleib vieler Opfer nichts bekannt ist. Um die Inschrift lesen zu können, muss sich der Betrachter bücken. Er ist zur symbolischen Verbeugung vor den Opfern aufgefordert - an dem Ort, wo die Verfolgten vor dem Holocaust lebten.

Über die Gedenktafel ist Hilde Sherman in Wickrathberg wieder präsent. Doch schon zu Lebzeiten hatte sie die Größe gehabt, das Kontaktangebot Mönchengladbacher Bürger anzunehmen und neue Freundschaften in der alten Heimat zuzulassen.

(anw)
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