Mettmann Zahl der armen Menschen im Kreis steigt

Mettmann · Der Caritasverband beleuchtete die soziale Situation der Betroffenen. Es ging um die Frage, ob Armut krank macht.

 Bei der Eröffnung der Tafel holte sich Valerii Karasiov mit Sohn Tim bei Hans Koch Obst und Gemüse.

Bei der Eröffnung der Tafel holte sich Valerii Karasiov mit Sohn Tim bei Hans Koch Obst und Gemüse.

Foto: DJ

Die Weltgesundheitsorganisation definiert "Gesundheit" als einen Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Darüber hinaus habe jeder ein Recht auf Gesundheit. Doch lässt sich das auf unsere Gesellschaft übertragen? Wird jeder hier im Kreis, ob arm oder reich, gleich behandelt? Dieses Thema wurde in der Podiumsdiskussion "Macht Armut krank?", die im Kaplan-Flintrop-Haus stattfand, ausführlich diskutiert.

"Arme Menschen haben eine geringere Lebenserwartung. Männer in Armut leben durchschnittlich zwölf Jahre kürzer, Frauen etwa acht Jahre", sagt Michaela Hofmann, die Moderatorin der Diskussion. In Familien, die in Armut leben, häuften sich Krankheiten wie Übergewicht und Karies, der Konsum von Alkohol und Drogen sei deutlich höher als in finanziell besser gestellten Familien.

Dies führe oft zur Sucht, die allerdings nichts anderes ist als eine Flucht vor der Armut: "Viele arme Menschen werden süchtig, weil sie durch ihre Lebenssituation kaum mehr Glück empfinden — und mit Drogen oder Alkohol können sie wenigstens ab und zu so etwas wie Glück empfinden", sagt Heinrich Byell von der Caritas. Es gilt, diesen Menschen wieder eine andere Form von Glück kennenlernen zu lassen, durch Erfolge im Gruppensport oder Ausflüge, eben alltägliche Dinge.

Armut hat neben einer möglichen Flucht in die Sucht auch andere Folgen, etwa den Ausschluss aus der Gesellschaft, denn "Arm sein wird in der Gesellschaft nicht gerne gesehen, man ist lieber solidarisch mit dem Luxus", sagt Reinhold Keppeler von der Mettmanner Caritas.

Dabei sind nicht gerade wenig Menschen betroffen: Allein in Mettmann gehen wöchentlich 800 bis 1000 Menschen zur Tafel, um Nahrung wie Brot, Milch, Obst und Konserven zu bekommen, sagt Michael Reichelt von der Mettmanner Diakonie. Das sind Zahlen, die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben. "Vor sechs Jahren haben wir einmal in der Woche ein paar Laibe Brot an zehn bis 20 Menschen verteilt", erinnert sich Reichelt. Heute habe die Mettmanner Tafel eine ganz andere Dimension und Logistik angenommen, rund 30 ehrenamtliche Helfer sind nötig, um die Arbeit zu bewältigen.

Und genau dort scheitert es in der Gesellschaft: "Oft nehmen sich Einzelpersonen des Themas "Hilfe für Arme und Kranke" an, doch noch sehe ich nicht, dass es die ganze Gemeinde erreicht hat" sagt Pfarrer Msgr. Herbert Ullmann. Die Menschen haben zu viele Vorurteile, es herrsche zu wenig Solidarität mit denjenigen, die es oftmals unverschuldet schwerer hätten als man selbst. Das sei ein gesellschaftliches Problem, dessen sich angenommen werden müsse, so der Konsens der Diskussion. Denn jeder hat ein Recht auf eine warme Mahlzeit, auf einen normalen Umgang mit anderen Menschen, und nicht zuletzt auf Gesundheit trotz Armut.

(mego)
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