Kolumne: An(ge-)dacht Wir betreten immer wieder Neuland

Mettmann · Wer ein Wagnis eingeht, sollte die Folgen einigermaßen abschätzen. Risikoforscher haben herausgefunden, dass Menschen Gefahren oft falsch einschätzen.

So fürchten sich beispielsweise 70 Prozent der Deutschen in Sachen Ernährung vor Pestizidrückständen, Antibiotika in Fleischwaren, gentechnisch veränderte Lebensmittel oder chemischen Konservierungsmitteln. Etwa 15 tödliche Krebserkrankungen im Jahr sind auf diese Ursachen zurückzuführen. Dabei steigt die Gefahr, an einer tödlichen Krebskrankheit zu sterben, um mehr als das Tausendfache durch ungesunde Ernährung. Doch zu viel Essen, zu viel Fett, zu viel Zucker, zu viel Alkohol machen viel weniger Menschen Angst. Dabei kann man die möglichen negativen Folgen da tatsächlich gut selbst beeinflussen. Das wahrgenommene und das tatsächliche Risiko liegen weit auseinander.

Viele hätten gerne ein Leben mit Nullrisiko, um allen Gefahren zu entgehen. Gerade wir Deutschen, denen es im Weltmaßstab wirklich gut geht, haben mit den Risiken, die Veränderungen mit sich bringen, immer mehr Schwierigkeiten. In der Süddeutschen Zeitung spitzte ein Kommentator das etwas boshaft zu, Deutschland sei ein "Oberjammergau der Bedenkenhaftigkeit". Wenn ich an manche Diskussionen zum Stadtentwicklungskonzept für Erkrath denke, kann ich seine Einschätzung fast nachvollziehen. Die kurzfristige Beeinträchtigung des eigenen Lebens scheint so viel schlimmer zu sein, als die langfristigen Folgen, die aus Stillstand folgen.

Bei allen Veränderungsprozessen gilt es, Vorteile und Nachteile, Risiken und Gefahren möglichst genau einzuschätzen. Dann muss ich entscheiden und handeln. Der christliche Glaube ist getragen von der Hoffnung auf das Neue. Nicht um jeden Preis, aber zur Gestaltung der Welt im Sinne Gottes. Wir betreten als Einzelne und als Gesellschaft immer wieder Neuland.

Persönlich werde ich zurzeit manchmal gefragt, wie es denn mit meinem Wechsel von der Arbeit als Pfarrer der Hochdahler Kirchengemeinde zum Diakoniepfarrer in Essen aussieht? Da schwingt die Frage mit, ob es sich wohl lohnt, das Risiko eines solchen Wechsels einzugehen. Ich denke ja, sonst hätte ich diese Wahl nicht getroffen. Mit Gewissheit kann ich allerdings erst später sagen, ob der Schritt richtig war.

Die Bibel ist voll von Geschichten, die erzählen, wie Menschen risikobehaftete Veränderungen erleben. Eine davon handelt von Josua. Er soll dem großen Mose nachfolgen und das Volk Israel ins Gelobte Land führen. An der Schwelle zum Neuen bekommt er Gottes Zusage mit auf den Weg: "Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst." Mir tut es gut, das zu wissen. Ihnen ja vielleicht auch.

Andreas Müller, Pfarrer, evangelische Kirchengemeinde Hochdahl, andreas.mueller@ekir.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort