Hans-Joachim Spröde Und Claudia Ebeling Wenn Vergewaltigung vorgetäuscht wird

Mettmann · Der Kriminaldirektor und die Kriminalhauptkommissarin der Kreispolizeibehörde müssen genau ermitteln.

kreis METTMANN Frauen werden vergewaltigt und wagen es erst Jahrzehnte später, über den sexuellen Missbrauch zu sprechen. Die Debatten im Schauspielermilieu haben für öffentliches Entsetzen gesorgt. Und dennoch gab es in der Vergangenheit auch Fälle wie den von Wettermoderator Jörg Kachelmann, die zumindest Zweifel daran aufkommen lassen, ob sich die angezeigte Vergewaltigung tatsächlich so zugetragen hat, wie sie von den Opfern geschildert wurde. Ein schwieriges Thema - auch für Kriminalbeamte im Kreis Mettmann, die allein im vergangenen Jahr mehr als 200 Sexualdelikte aufzuklären hatten.

Eine Frau zeigt einen Mann wegen Vergewaltigung an und später stellt sich heraus: Den vermeintlichen sexuellen Übergriff hat es nie gegeben. Warum erfindet jemand eine solche Geschichte?

Hans-Joachim Spröde Da stolpert man als Frau nicht einfach so rein. Manchmal muss die erfundene Vergewaltigung dafür herhalten, dass man den Partner betrogen hat und es nicht zugeben will. Oft gibt es im Hintergrund eine Trennung oder auch Sorgerechtsstreitigkeiten. Manchmal geht es aber auch einfach nur darum, dass sich jemand um einen kümmert.

Sie meinen, da leidet jemand unter einem Mangel an Aufmerksamkeit und verdächtigt deshalb einen Unschuldigen der Vergewaltigung?

Claudia Ebeling Ja, das kommt vor. Oft stellt sich später eine psychische Erkrankung als Ursache für ein solches Verhalten heraus.

Wurde der Partner einer Vergewaltigung bezichtigt, müssen Sie dafür sorgen, dass er sich für zehn Tage von der Familie und der eigenen Wohnung fernhält. Da steht dann also möglicherweise jemand mit gepackten Koffern auf der Straße, obwohl nicht klar ist, ob er etwas Unrechtes getan hat?

Spröde Ja, das ist so. Für uns ist jede Frau, die eine Vergewaltigung anzeigt, erstmal das Opfer. Wir kümmern uns, es gibt Hilfsangebote - und wir beginnen mit der Ermittlungsarbeit.

Das kann Wochen und Monate dauern. Bis dahin kann das Leben eines Unschuldigen ruiniert sein...

Ebeling Das muss ich als Ermittlerin ausblenden, sonst kann ich meine Arbeit nicht machen. Ein bloßes Bauchgefühl allein genügt nicht, um jemanden von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freizusprechen.

Spröde Hängen bleibt in solchen Fällen natürlich immer etwas... Und dennoch geht kein Weg daran vorbei. Noch nicht mal eine Gegenanzeige wegen des Vortäuschens einer Straftat würde verhindern, dass gegen den vermeintlichen Täter im öffentlichen Interesse ermittelt werden muss.

Und was geschieht, wenn gemeinsame Kinder betroffen sind? Wird sofort das Jugendamt verständigt mit allen Konsequenzen, die so etwas für das Verhältnis von Kindern zu ihren Vätern haben kann?

Spröde Die Wohnungswegweisung ist eine Sofortmaßnahme, die bei häuslicher Gewalt unmittelbar eingeleitet werden muss. Bevor wir das Jugendamt informieren, hat es allerdings schon eine Vernehmung des Opfers gegeben. Dabei zeichnet sich manchmal ab, dass etwas an den Schilderungen nicht stimmen kann.

Und wie finden Sie heraus, dass das vermeintliche Opfer gelogen hat?

Ebeling Wer lügt, muss ein gutes Gedächtnis haben. Es gibt bei der Vernehmung meist Ungereimtheiten und Widersprüche. Später stellt sich dann heraus: Den Tatort gibt es nicht oder die angezeigte Tat kann sich so nicht zugetragen haben.

Bei den meisten Vergewaltigungen stammt der Täter aus dem unmittelbaren Umfeld der Opfer. Oft wird dann behauptet, der Geschlechtsverkehr sei einvernehmlich gewesen und ein "Nein" der Frau habe es nicht gegeben...

Ebeling Bei Vergewaltigungen in der Partnerschaft gibt es niemanden, der daneben steht und die Nachttischlampe hält. Da steht immer Aussage gegen Aussage, und wenn sich der Vergewaltigungsvorwurf durch unsere Ermittlungen nicht erhärten lässt, kommt es meist auch nicht zur Anklage.

Bis dahin ermitteln Sie auch im Umfeld des vermeintlichen Täters - mit möglicherweise katastrophalen Folgen für dessen soziales Umfeld?

Spröde Er erfährt über lange Zeit hinweg nicht, dass gegen ihn ermittelt wird. Auch deshalb, weil er im Falle seiner Täterschaft nicht die Möglichkeit bekommen soll, Beweise beiseite zu schaffen.

Ebeling Es gibt so etwas wie den doppelten Schutzgedanken. Wir kümmern uns einerseits um die Opfer einer angezeigten Vergewaltigung. Solange wir jedoch keine eindeutige Beweislage gegen jemanden haben, gilt für uns die Unschuldsvermutung.

SABINE MAGUIRE STELLTE DIE FRAGEN

(magu)
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