Mettmann Wenn Männer ihre Frauen schlagen

Mettmann · Die Caritas-Fachberatung gegen häusliche Gewalt bietet mit ihrem Angebot der "Täterarbeit" gewalttätig gewordenen Männern Hilfestellung an. Zwei Betroffene berichten im RP-Gespräch über ihre Erfahrungen.

 Andreas Smolka kümmert sich bei der Caritas als Fachberater und Familientherapeut auch um Männer, die gewalttätig geworden sind.

Andreas Smolka kümmert sich bei der Caritas als Fachberater und Familientherapeut auch um Männer, die gewalttätig geworden sind.

Foto: Privat

Es war wie jeden Tag. Streit lag in der Luft, es ging um Urlaubspläne. Sie wollte hierhin, er dorthin: Es hätte genauso gut um den Job, ums Kind oder um irgendein Allerweltsproblem gehen können. Es dauert lange, bis Heiner L. (Name von der Redaktion geändert) schließlich von dem entscheidenden Moment erzählt, der sein Leben und das seiner Familie von einem Augenblick auf den anderen verändern sollte. "Dann habe ich meinen Kopf gegen den meiner Frau geknallt", erinnert er sich an den Moment, als er plötzlich ausrastete. Als er es nun bei seiner Frau tat, war nichts mehr gut. "Darüber bin ich froh. Es wäre sonst womöglich immer weiter gegangen", sagt er ein Jahr nach seinem Ausraster. Dazwischen liegen Monate, in denen sich Heiner H. weder seiner Frau noch dem mittlerweile dreijährigen Sohn nähern durfte. In denen er bei seinen Eltern wohnen und sich einem Strafverfahren stellen musste. Seine Frau hatte ihn wegen häuslicher Gewalt angezeigt, es gab etliche Auflagen. Dazu gehörte der Kontakt zur Caritas-Anlaufstelle für Täterarbeit. Und der Besuch der Eheberatung. "Mittlerweile leben wir wieder zusammen. Wenn ich merke, dass ich innerlich unter Strom stehe, gehe ich einfach raus", berichtet Heiner L. von seiner Suche nach anderen Lösungswegen.

Die hat Jürgen K., der ebenfalls die von der Caritas angebotenen Gruppengespräche besucht, bislang noch nicht gefunden. Auch er ist gegenüber seiner Frau gewalttätig geworden. Was folgte, war eine Anzeige und ein monatelanger Rosenkrieg. "Mittlerweile sind wir geschieden", sagt er ohne Bedauern. Schließlich sei es seine Frau gewesen, die ihn damals provoziert und in die Enge getrieben habe: "Sie hat sogar noch im Bett weiter gestritten und wenn ich in einem anderen Zimmer meine Ruhe haben wollte, hat sich mich mit SMS tyrannisiert." Auch die Tatsache, dass er - mit dem gemeinsamen Kind auf dem Arm - gegenüber seiner Frau gewalttätig geworden sei, habe sie aus seiner Sicht selbst verschuldet. "Ich wollte eigentlich gehen und sie hat immer wieder völlig hysterisch an mir herumgezerrt und gezogen", schildert er seine Version der Geschichte. In den Polizeiprotokollen steht freilich etwas anderes und Caritas-Fachberater Andreas Smolka hat dafür eine Erklärung: "Wir erleben es immer wieder, dass die Männer das Geschehene verdrängen und den Sachverhalt völlig anders schildern." Nur so lasse sich erklären, warum Männer in der eigenen Wahrnehmung vom Täter zum Opfer werden könnten. Was dabei verloren gehe, sei die Einsicht in die eigene Verantwortung und damit auch die Möglichkeit, etwas für die Zukunft zu verändern. Mit ihrem Angebot der "Täterarbeit" zur Verhinderung häuslicher Gewalt bewegt sich die Caritas in der öffentlichen Wahrnehmung auf einem schmalen Grad.

Nicht nur den Opfern beizustehen, sondern auch den Tätern notwendige Hilfe anzubieten, ist nach wie vor eine Tabuzone. "Es mag ungewöhnlich klingen, aber Täterarbeit ist auf lange Sicht der beste Opferschutz", meint hingegen Caritas-Bereichsleiter Thomas Rasch. Und er geht sogar noch weiter: "Es geht überhaupt nicht darum, die Männer von ihrer Verantwortung freizusprechen. Aber bevor eine Streitsituation eskaliert, gibt es in den meisten Beziehungen eine Geschichte, an der zwei Menschen beteiligt sind." Das Gefühl, sich der Partnerin unterlegen zu fühlen, sei oft der Auslöser für häusliche Gewalt. Ist die Grenze einmal überschritten, gehe es nach ein paar lapidaren Entschuldigungen häufig weiter.

"Der Hilfsarbeiter schlägt seine Freundin genauso oft wie der Verwaltungsangestellte oder der Hochschulprofessor", räumt Rasch mit dem Vorurteil auf, häusliche Gewalt sei ein Problem prekärer Lebensverhältnisse. Stress, Ärger im Job, familiäre Probleme: Es gibt eine Vielzahl von Auslösern, die Männer schließlich zuschlagen lassen. Keiner der Gründe rechtfertige ein solches Verhalten und dennoch versuche man, in einigen Fällen nach einem solchen "Ausraster" auch die Partnerin in die Beratungsgespräche einzubeziehen. "Manchmal ist es möglich, eine neue Basis für die Beziehung zu schaffen. Aber dafür muss die Frau den Weg mitgehen wollen", weiß Caritas-Fachberater und Familientherapeut Andreas Smolka.

Gibt es eine lange Lebensgeschichte inmitten häuslicher Gewalt, die manchmal schon in der eigenen Kindheit ihren Anfang nahm und zu ständigen Gewaltausbrüchen führt, müssen die Opfer geschützt werden. Vor den Tätern liegt dann ein langer Weg, der oft vor den Richter, meist ins Gefängnis und irgendwann vielleicht auch zu einem Therapeuten führt - aber in den seltensten Fällen zurück in die eigene, traumatisierte Familie.

(magu)
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