Verkehr im Kreis Mettmann Der harte Weg zurück zum Führerschein

Mettmann · Warum die Medizinisch-Psychologische Untersuchung, MPU, kein Idiotentest ist – und wie man sich idealerweise vorbereitet. Die Suchthilfe der Diakonie im Kreis Mettmann bietet einen Kurs an.

 Suchttherapeutin Gabriele Stulle bereitet Klienten auf die Medizinisch-Psychologische Untersuchung, MPU, vor. Nur wer sie besteht, hat eine Chance, nach Alkohol- oder Drogenvorfällen seinen Führerschein zurück zu bekommen.

Suchttherapeutin Gabriele Stulle bereitet Klienten auf die Medizinisch-Psychologische Untersuchung, MPU, vor. Nur wer sie besteht, hat eine Chance, nach Alkohol- oder Drogenvorfällen seinen Führerschein zurück zu bekommen.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Manchmal ist der Volksmund der Idiot. Beim Schlagwort „Idiotentest“ beispielsweise, unter dem die Medizinisch-Psychologische Untersuchung, MPU, vielfach über die Piste getrieben wird. Jener Check also, der hauptsächlich nach Drogen- oder Alkoholvergehen im Straßenverkehr Pflicht ist, wenn ein auffällig gewordener Mensch den Führerschein zurückbekommen möchte. Suchttherapeutin Gabriele Stulle (52) von der Suchthilfe BIZ Erkrath innerhalb Diakonie Düsseldorf-Mettmann bereitet seit einem halben Jahrzehnt Betroffene auf die MPU vor. Sie sagt: „Diese Untersuchung ist sehr vielschichtig. Sie bringt Menschen dazu, sich mit ihrem Delikt und ihrem Leben auseinanderzusetzen. Mit ‚Idioten‘ hat das überhaupt nichts zu tun.“

Die MPU ruht auf drei Säulen. Der zu Untersuchende muss über den Zeitraum von einem halben bis zu einem Jahr seine Abstinenz nachweisen. Es gibt einen Reaktionstest. Und der Antragsteller muss in einem ausführlichen, etwa einstündigen Gespräch mit einem Verkehrspsychologen darlegen, wie er seine Vergehen verarbeitet hat. Was hat der Betreffende an seinem Leben, seinen Einstellungen, seinem Verhalten geändert, damit er sich nicht erneut vollkommen benebelt ans Steuer setzt und andere und sich selbst gefährdet?

Gabriele Stulle betreut im Schnitt zehn bis zwölf Personen pro Jahr. Die Mehrzahl der Delinquenten ist männlich: „Auf zehn Männer kommt vielleicht eine Frau“, sagt die Diplom-Sozialpädagogin Stulle. Im Jahr 2020 wurden deutschlandweit rund 84.000 MPU abgeschlossen. Bei rund 40 Prozent davon lagen Alkoholvergehen zugrunde. Bei 33 Prozent standen Drogen im Straßenverkehr am Anfang eines langen Prozesses. Wer eine MPU unvorbereitet angeht, läuft Gefahr, durchzufallen, warnt Gabriele Stulle: „Nur die Hälfte der Unvorbereiteten besteht die Untersuchung.“

Wer bei der Therapeutin das kostenlose Eingangsgespräch durchläuft, bekommt darin einen Weg aufgezeigt, der zu seinem Vergehen passt. Dabei gilt es zahlreiche Punkte anzusprechen. Liegt eine Alkohol- oder Drogen-Sucht vor, ist eine Therapie angesagt. Aber selbst bei einem einmaligen Ausrutscher gehört es dazu, über einen langen Zeitraum hinweg nachzuweisen, dass man „clean“ ist.

„Zusätzlich müssen die Klienten mit Hilfe eines zertifizierten Labors ihre Abstinenz nachweisen“, sagt Gabriele Stulle. Wer lange Haare hat, ist eventuell im Vorteil. Da ein Haar pro Monat um einen Zentimeter wächst, lassen sich unter Umständen Zeiträume rückwirkend ermitteln, in denen der zu Untersuchende Abstand zu Alkohol und Drogen gewonnen hat. Meist aber werden über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten hinweg Urinproben untersucht. Dabei geht es MPU-Kandidaten ähnlich wie Spitzensportlern: Sie werden spontan angerufen und müssen binnen 24 Stunden erscheinen. Unter Aufsicht ist eine Urinprobe abzugeben – damit niemand schummelt.

Eine ärztliche Untersuchung und ein Reaktionstest gehören bei jeder MPU dazu. Aus Sicht von Gabriele Stulle ist aber das Gespräch mit dem Verkehrspsychologen der vielfach entscheidende Punkt. „Hierbei ist es unverzichtbar, keine Geschichten zu erzählen, sondern strikt bei der Wahrheit zu bleiben“, sagt die Therapeutin. In der Regel ließen sich die Gesprächspartner nichts vormachen.

Dass Gabriele Stulle mit diesem Rat richtig liegt, zeigt eine Quote, auf die sie auch ein wenig stolz ist: „Bislang ist noch niemand, der von mir vorbereitet wurde, durch die MPU gefallen.“ Die Vorbereitung in zehn Modulen ist kostenpflichtig. In denen geht es um die Suchtmittel und ihre Wirkungen auf Körper und Geist. Um die oft unklaren Grenzen zwischen Genuss, Gewöhnung und Abhängigkeit. Die Delikte werden analysiert. Die Lebenssituation des MPU-Kandidaten durchleuchtet. Und besprochen, wie Rückfälle vermieden werden können. Zwischen den jeweils anderthalbstündigen Modulen liegen mehrere Wochen, in denen die Ergebnisse verarbeitet werden können.

Falls jemand eine MPU nicht besteht, muss er sich nicht für immer von seinem Führerschein verabschieden. „Meist gibt es in der Bewertung Hinweise darauf, was vor einem nächsten Anlauf getan werden sollte“, sagt Gabriele Stulle. Zu der schon einige zerknirscht gekommen sind, die zunächst dachten, die MPU im Alleingang bewältigen zu können. Trinkt sie eigentlich selbst mal einen Wein? „Dies ist eine sehr persönliche Frage. Ich lebe nicht abstinent, aber vertrage nur sehr wenig Alkohol“, sagt die Therapeutin. Sehr vieles schmecke ihr schlicht nicht.

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