Tätowieren von Narben Was Sie zum Tätowieren von Narben wissen sollten

Düsseldorf · Ob Kaiserschnitt, Skiunfall oder Operation: Die meisten Menschen haben irgendwo am Körper eine Narbe. So wie Markus Führer aus Mettmann. Die an seinem Oberarm möchte er jetzt mit einem Tattoo kaschieren - doch das ist gar nicht so einfach.

 Ein normales Tattoo (wie es hier im Bild entsteht) ist deutlich leichter zu stechen als ein Tattoo, das über Narbengewebe geht.

Ein normales Tattoo (wie es hier im Bild entsteht) ist deutlich leichter zu stechen als ein Tattoo, das über Narbengewebe geht.

Foto: dpa, Franziska Koark

Wenn Markus einem am Tisch gegenübersitzt, sieht man die Narbe erst mal nicht. Im Winter schon gar nicht, wenn er lange Ärmel trägt. Aber im Sommer, wenn der Bürokaufmann aus Mettmann braun wird und ein T-Shirt trägt, fällt sie auf. Besonders, wenn er den rechten Arm bewegt.

Seine Narbe zieht sich von kurz über der Achselhöhle fast bis zur Armbeuge einmal über den Bizeps. Zwei bis drei Zentimeter breit ist sie - und rund herum verläuft eine Spur aus kleinen weißen Strichen. Da, wo vor mehr als zwanzig Jahren die Klammern saßen, die seine Wunde zusammenhielten.

 Markus Führers Arm ziert eine lange, breite Narbe - er möchte sie eventuell in ein Tattoo integrieren.

Markus Führers Arm ziert eine lange, breite Narbe - er möchte sie eventuell in ein Tattoo integrieren.

Foto: Helene Pawlitzki

Nach einer OP wurden die Klammern zu früh gezogen - so bildete sich die Narbe

1997 war Markus Führer 19 Jahre alt und ein begeisterter Tennisspieler. Dass sein Oberarm-Knochen wegen einer Zyste nicht ganz sauber gewachsen war, davon hatte er keine Ahnung. Auch wenn der Arm manchmal ein bisschen weh tat. Eines Tages passierte es dann: "Ich habe einen Aufschlag gemacht - und der Knochen war durch. Der Arm hing runter, der Schläger fiel auf den Boden. Das war's."

Im Krankenhaus setzten die Ärzte eine Platte auf den Knochen und klammerten die Wunde zusammen. Nach anderthalb Wochen wurden die Klammern gezogen - das war wohl zu früh. Der Arm war geschwollen, es bildete sich die lange, breite Narbe an Markus' Oberarm.

Nicht, dass er sich für sie schämen würde. "Aber seit meine Frau ein Tattoo hat, habe ich immer öfter mit dem Gedanken gespielt, die Narbe vielleicht doch mit einer Tätowierung zu verzieren." Jetzt recherchieren er und seine Frau Antje, in welchem Studio er seinen Oberarm verschönern könnte - gar kein so leichtes Unterfangen.

 Markus' Frau Antje hat bereits ein kleines Tattoo am Arm, das ihre Familie symbolisiert - zusammen haben die beiden zwei kleine Söhne.

Markus' Frau Antje hat bereits ein kleines Tattoo am Arm, das ihre Familie symbolisiert - zusammen haben die beiden zwei kleine Söhne.

Foto: Helene Pawlitzki

Narbengewebe ist medizinisch anspruchsvoll

Denn die Haut einer Narbe zu tätowieren, ist eine echte Herausforderung - auch für Profis. Und dazu noch eine, über die sich nur schwer eine pauschale Aussage treffen lässt.

"Muttermale und Leberflecken dürfen nicht tätowiert werden", steht in einer Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) über die "Anforderungen der Hygiene beim Tätowieren". "Ob Narbengewebe tätowiert werden kann, muss im Einzelfall entschieden werden." Die Leitlinie hat der AWMF gemeinsam mit Vertretern des Vereins Deutsche Organisierte Tätowierer (DOT) erarbeitet.

Dass der Satz über das Tätowieren von Narben vorsichtig klingt, hat seinen Grund: Es ist technisch komplex. "Bei Narbengewebe ist die Hautstruktur verändert", sagt Mia Silke Strothotte, zweite Vorsitzende bei DOT e.V. und Tätowiererin mit eigenem Studio aus Trier. "Je nachdem, wie stark diese Veränderung und wie groß die Narbe ist, sollte da kein Tätowierer ran."

Das ist jedoch eine Abwägungssache. Nicht bei jeder kleinen Mückenstichnarbe heißt es "Finger weg!" Häufig beispielsweise lassen sich Menschen die Arme tätowieren, die sich früher selbst verletzt und daher viele kleine Ritz-Narben haben. Tätowierer berichten, dass das in aller Regel kein Problem ist. Von einer wulstigen Kaiserschnittnarbe mit verändertem Gewebe dagegen würden die meisten eher die Finger lassen.

Das Problem: Es ist extrem schwer vorherzusagen, wie Narbengewebe auf eine Tätowierung reagiert. "Manchmal ist die Haut von Narben fast pergamentartig, ganz ohne Unterhautfett", berichtet Mia. "Dann können sich die Farbpigmente nicht richtig einlagern und es kommt zu dem, was wir 'Blow Outs' nennen: Die Farbe verläuft und sieht sehr kräftig und dunkel aus."

Andere Menschen neigen zu wulstigen Narben, bei denen sich viel Gewebe bildet. "Da geht dann die Farbe relativ schwer rein, das Ergebnis sieht viel heller aus."

Oliver Paaß, Inhaber von Fineline Tattooing in Düsseldorf, beschreibt es so: Eine normale, gesunde Haut sei wie ein Becken voller grüner Bälle. Die Tinte des Tätowierers sei wie ein roter Ball, den er dazwischen legt - und der Ball bleibt an Ort und Stelle. "Narbengewebe zu tätowieren kann dagegen sein, wie Tinte in einen nassen Schwamm zu spritzen."

Kurz: Ob ein Narbe übertätowiert werden kann, ist immer Abwägungssache. "Man muss die Narbe genau anschauen und auch anfassen", sagt Mia Strothotte. Kunden empfiehlt sie, sich auf jeden Fall in mehreren Studios beraten zu lassen. "Wenn einer sagt, ich mach's, und drei alte Hasen vorher abgeraten haben - dann sollte man es vielleicht doch lieber lassen."

Außerdem müssten Interessenten flexibel sein, was das Motiv angeht. "Sich den Namen seines Wellensittichs auf eine große Brandnarbe tätowieren zu lassen, wird wahrscheinlich nicht gehen, weil man keine feine Linien hinkriegt." Dann sollte man besser ein Motiv suchen, das so etwas verzeiht - beispielsweise Blütenranken, bei denen es nicht darauf ankommt, ob sie etwas weiter rechts oder links verlaufen.

Ein neues Leben - dank Blütenranken um die "Einschusslöcher"

Von genau einem solchen Blütenranken-Tattoo berichtet auch Oliver Paaß. Eine Kundin, die er tätowierte, kam mit vernarbten Beinen in sein Studio. Bei ihr war ebenfalls ein Bruch nicht gut verheilt, sie hatte ein Gestänge tragen müssen und Narben "wie Einschusslöcher" an den Unterschenkeln. "Wir haben dann Blumenranken um die Löcher herum gestochen", sagt Oliver. "Und als wir fertig waren, war es fast so, als seien die Narben verschwunden." Die Frau hatte jahrelang keine Röcke mehr getragen und sich für ihre Beine geschämt. Mit dem Tattoo zeigte sie sie wieder gern.

Selbst um Narben herum zu tätowieren - was medizinisch und technisch weniger schwierig ist - sei eine große Verantwortung, betont Oliver. "Die Leute kommen oft nach langer Überwindung zu uns. Viele lassen sich tätowieren, um zu signalisieren: Die Narbe ist noch da, aber ich bin geheilt." Er warnt jedoch davor, ins erstbeste Studio zu gehen: "Wenn ein Tattoo grafisch oder technisch schlecht gemacht ist, kann es die Narbe sogar noch betonen, statt sie zu kaschieren."

Reißverschluss? Baby-Alligator? Oder etwas ganz anderes?

Viel zu bedenken also für Markus Führer aus Mettmann. Er weiß noch nicht genau, was für ein Tattoo er haben möchte und ob es auf der Narbe selbst oder um die Narbe herum entstehen soll. Erst hatte er an einen tätowierten Reißverschluss gedacht - "das ist ja so der Klassiker bei solchen Narben." Witzig fände er auch, wenn eine Legende im Tattoo Niederschlag fände, die er gerne neuen Bekanntschaften erzählt: Dass sein Arm so aussieht, weil ein Baby-Alligator ihn gebissen hat. Seiner Frau hat er das auch erzählt, als die beiden sich kennenlernten - mit Erfolg.

Für Entwürfe und Ideen ist Markus dementsprechend offen - er selbst habe, sagt er, kein grafisches Talent. "Die Kinder sollten sich hinterher halt nicht erschrecken", sagt er. "Und es sollte am liebsten eher nicht ornamental sein."

Für Mia, die Markus' Narbe von einem Foto kennt, ist besonders die Lage auf dem Arm problematisch: "Sie sitzt sehr ungünstig nah an der Achsel", sagt sie, daher sei es schwer, ein Motiv zu platzieren. Drumherum könne man aber vielleicht etwas tätowieren.

Markus wird jetzt weiter in Mettmann und Umgebung nach einem Studio suchen. "Ich werde das Ganze sicher nicht übers Knie brechen", sagt er.

Haben Sie einen Tipp, welches Tattoo-Studio Erfahrungen mit Narben-Tattoos hat, oder eine Idee für ein Motiv auf dem Arm von Markus Führer? Schreiben Sie uns an duesseldorf@rp-online.de, Betreff: Tattoo. Talentierte Zeichner dürfen auch gerne einen Entwurf einreichen. Wir leiten alles an Markus weiter.

(hpaw)
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