Gedenken in Mettmann Mit dem Fuß und dem Herzen stolpern

Mettmann · 22 Stolpersteine erinnern in Mettmann an die Opfer der NS-Zeit. Jetzt ist ein dreiundzwanzigster dazu gekommen. Zu seiner Verlegung war die Enkelin von Karl Vögtel, dem der Stein gewidmet ist, anwesend.

 Gunter Demnig verlegt den Stolperstein von Karl Vögtel. In Mettmann ist dies der 23.

Gunter Demnig verlegt den Stolperstein von Karl Vögtel. In Mettmann ist dies der 23.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Über die Vergangenheit stolpern – das passiert spätestens seit 2003 auch hier in Mettmann. Mehr als 20 Stolpersteine wurden in den vergangenen zwanzig Jahren in der Kreisstadt verlegt. Jetzt ist ein weiterer hinzugekommen, er trägt den Namen von Karl Vögtel.

„Wege entstehen beim Gehen“, sagt Katinka Poensgen. Sie ist die Enkeltochter Vögtels und hat es sich in den vergangenen Jahren zur Aufgabe gemacht, die Lebensgeschichte ihres Großvaters aufzuarbeiten und als Buch zu veröffentlichen. Anlässlich der Stolpersteinverlegung ist die Frankfurterin am Donnerstag extra nach Mettmann angereist. Vor dem letzten Lebensort ihrer Großeltern, einer Wohnung in der Gruitener Straße, konnte sie nun miterleben, wie der messingfarbene Stein in den Boden gelassen wird.

Karl Vögtel stammte ursprünglich aus Mannheim. 1931 wanderte der überzeugte Kommunist mit seiner Ehefrau Luise Vögtel in die Sowjetunion aus. Nach ein paar Jahren des Friedens – es sollten vorerst die letzten gewesen sein – verhaftete der sowjetische Geheimdienst das KPD-Mitglied im Zuge Stalins großer Säuberung. Es war sein 35. Geburtstag, an dem der gelernte Schlosser in Handschellen gelegt und abgeführt wurde. Nach monatelanger Haft wird Vögtel 1937 schließlich alleine nach Deutschland ausgewiesen und kam so über Berlin im Januar 1938 ins Rückwandererheim nach Mettmann. Auch dort sollte er jedoch nicht lange bleiben und so wird er nur wenige Wochen später erneut verhaftet – dieses Mal von der Gestapo – und wird ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert.

„Oh Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen, weil du mein Schicksal bist“, sang deswegen der Chor des „Netzwerk Lebenslaute“, während der Stein in der Gruitener Straße verlegt wurde. Im Gegensatz zu vielen anderen Mitleidenden hat Karl Vögtel seine Zeit im KZ überlebt – und konnte anschließend nach Mettmann zurückkehren, wohin auch seine Frau inzwischen gefunden hatte.

Gemeinsam verbrachten sie dort ihren Lebensabend. Enkelin Katinka Poensgen erinnert sich an zahlreiche Schulferien, die sie bei den Großeltern verbrachte. Politisch aktiv war Karl Vögtel auch nach seiner Rückkehr. „Er hat nie aufgehört, sich politisch zu engagieren“, weiß seine Enkeltochter.

Bei der Verlegung persönlich anwesend war Gunter Demnig. Der Künstler verlegt seit 1996 Stolpersteine in etlichen Ländern und gewann mit seinem Projekt bereits zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Das Besondere: Demning lässt jeden Stein selbst in die Erde. „Er möchte mit den Stolpersteinen der nationalsozialistischen Massenvernichtung etwas entgegensetzen“, heißt es dazu auf der Website des Projektes.

Neben Katinka Poesgen und dem Künstler waren jedoch noch zahlreiche andere Bürger anwesend, sie alle wollten dabei sein, wenn Karl Vögtel eine letzte Ehre erwiesen wird. Vertreterinnen der Bürgerinitiative „Omas gegen Rechts“ und Vertreter des Mettmanner Bündnis für Toleranz und Zivilcourage tummelten sich auch um den nun frisch eingesetzten Stolperstein. Das Bündnis für Toleranz und Zivilcourage war es, das sich für die Verlegung des Stolpersteines eingesetzt hatte und das im Vorfeld die Organisation regelte. Nachdem Katinka Poensgen im November 2021 in Frankfurt ehrenamtlich Stolpersteine putzte, kam sie auf die Idee, auch für ihren Opa einen solchen zu beantragen. Nachdem sie sich erst an das Stolperstein-Team rund um Gunter Demnig wandte, kam die Stadt Mettmann eigenständig auf Poensgen zu und die Planung des neuen Stolpersteins begann.

„Ich hoffe, dass meine Großeltern das irgendwie merken“, merkt Poensgen mit Blick zur ehemaligen Bleibe ihrer Großeltern an. Die beiden mögen zwar inzwischen verstorben sein, ihre Geschichte soll aber weiterleben. Gemeinsam mit dem Verein „Kinder des Widerstands“ veröffentlichte sie deshalb den Lebens- und Leidensweg ihres Opas in ihrem Buch „Tagebuch einer Recherche“.

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