Leichtathletik Wenn Familien einen guten Lauf haben

Erkrath · Für Familie Lemmer und Familie Droste ist der Neandertallauf aus unterschiedlichen Gründen etwas Besonderes.

Die Leidenschaft für Bewegung liegt bei den Lemmers in der Familie. Besonders die Herren bleiben ständig auf dem Laufenden. Großvater Karlheinz Lemmer hat jahrelang täglich den Unterbacher See umrundet und mit seiner Leidenschaft auch seinen Sohn Stefan angesteckt. "Wir sind eine Zeit lang zusammen gelaufen, doch er ist 25 Jahre jünger und schneller als ich. Inzwischen haben wir auch einen ganz anderen Rhythmus", sagt Karlheinz Lemmer. Doch einmal im Jahren treffen sich Vater und Sohn, um gemeinsam beim Neandertallauf zu starten. "Solange es den Lauf gibt, sind wir dabei – und inzwischen läuft auch mein Enkel Fabio bei den Bambini mit."

Der Siebenjährige war richtig stolz auf seine Leistung und die goldglänzende Medaille. Gemeinsam mit seinen Klassenkameraden hat er die Ein-Kilometer Runde um den Hochdahler Markt absolviert. "Das war sehr aufregend", berichtet Karlheinz Lemmer. Er stand zusammen mit seiner Frau am Zieleinlauf und feuerte seinen Enkel lautstark an. "Über die Lautsprecher haben wir die Namen der Kinder gehört, das war eine schöne Atmosphäre."

An seine Rolle als Schlachtenbummler musste der Hochdahler sich erst gewöhnen. "Sonst bin ich immer den Drittelmarathon mitgelaufen, doch diesmal war ich nicht ganz gesund." Stattdessen betreute er seinen Sohn Stefan. Der sucht im Rennen noch die Herausforderung. Er hat bereits auf mehreren Marathonstrecken seinen langen Atem bewiesen. "Er gehört zwar nicht zu den Schnellsten, kommt aber gleich dahinter. Im Ziel zählt er meist zum ersten Drittel", erzählt der Vater mit hörbarem Stolz.

Auf der kurzen Strecke in Hochdahl lief Stefan Lemmer als Neunter sogar unter die besten Zehn der Altersklasse 40. "Das ist schon eine Leistung", lobt Karlheinz Lemmer, der die anspruchsvolle Strecke mit den vielen Steigungen im Neandertal nur zu gut kennt. "Oft ist der Boden glitschig oder an manchen Stellen noch gefroren, doch gerade das macht den Reiz aus." Die Belohnung wartet im Ziel, wo die Sportler ihren Durst löschen und anschließend im Bürgerhaus zusammen sitzen. "Das ist das Schönste. Von den Kleinsten bis zu den Senioren wie ich sind alle Altersklassen vertreten", sagt Karlheinz Lemmer.

Diese Volksfeststimmung schätzt auch Ellen Droste. Sie begleitet jedes Jahr ihre beiden Jungen zum Rennen. Der Ältere, Sascha (9), war schon dreimal dabei, Carl (7) ist zum zweiten Mal gestartet. Beide treten für die Grundschule Millrath an. "Nach dem Lauf bin ich immer richtig ausgepowert", sagt Sascha stolz. "Davon bekomme ich richtig Muckis", ergänzt sein Bruder. "Doch das Beste ist die Medaille." Für den Siebenjährigen ist es keine Selbstverständlichkeit, mit seinen Klassenkameraden an der Startlinie zu stehen, er ist seit seiner Geburt querschnittgelähmt und sitzt im Rollstuhl. "Doch er wollte unbedingt mitmachen. Das war ihm so wichtig", berichtet Ellen Droste.

Die Verantwortlichen des TSV Hochdahl hatten zunächst große Bedenken, dass die Verletzungsgefahr zu groß sein könnte. "Doch sie haben es dann doch gewagt und die Schule hat es auch mitgetragen." Carls bester Freund Frederick erklärte sich spontan bereit, den Siebenjährigen anzuschieben. "Er hat selbst auf eine gute Platzierung verzichtet, damit Carl mitmachen kann. Das finde ich richtig toll", erzählt Ellen Droste. Sie stand im Ziel und hat die beiden Jungs nach Leibeskräften angefeuert und beklatscht. "Wir sind Vorletzte geworden", sagt Carl etwas zerknirscht. "Im vergangenen Jahr waren wir weiter vorne, aber da gehörten wir auch zu den Älteren."

Diesmal musste er viele andere Läufer an sich vorbeiziehen lassen, doch für das nächste Jahr hat er schon große Pläne. Dann möchte er das Rennen mit einem Handbike ganz alleine schaffen. "Dann komme ich hoffentlich unter die besten 20 wie mein großer Bruder! Der hat schon viel mehr Medaillen als ich", sagt Carl. Er träumt davon, ohne Hilfe Sport machen zu können, in einem Team zu spielen und sich mit anderen zu messen. "Am liebsten würde ich Fußball spielen, wie die meisten Jungs aus meiner Klasse, aber das geht leider nicht."

Handball oder Basketball im Rollstuhl könnten ihn auch begeistern. Doch in der näheren Umgebung gibt es keinen Verein, der so etwas für Kinder im Grundschulalter anbietet. "Wir haben uns schon umgehört. Wir müssten regelmäßig bis nach Krefeld fahren, und das ist einfach zu weit", berichtet Ellen Droste. Sie kann die Sehnsucht ihres Sohnes, so wie alle anderen zu sein, gut verstehen. Doch einen Mannschaftssport kann sie ihm nicht bieten. "Der TSV Hochdahl hat zwar eine integrative Gruppe, die ist aber nicht auf seine Behinderung spezialisiert und er überfordert sich leicht." Schwimm- und Reitunterricht können dem Siebenjährigen nicht die gleiche Begeisterung entlocken wie ein Ball. "Er möchte am liebsten etwas mit seinen Freunden zusammen machen. Deshalb war es so wichtig, dass er beim Neandertallauf dabei sein konnte."

Carl war sich sicher, dass er den einen Kilometer trotz der Steigung spielend schaffen kann. "Im vergangen Jahr hat das ja auch geklappt." Der Siebenjährige hat einen starken Willen und möchte sich von seinem Handicap nicht behindern lassen. Er möchte zeigen, dass er das gleiche schaffen kann wie seine Klassenkameraden. "In der Schule haben wir noch eine richtige Siegesfeier. Darauf freue ich mich schon. Dann bekomme ich noch eine Urkunde mit meinem Namen", sagt Carl und seine braunen Augen leuchten. Sein nächstes Ziel sind die Stadtmeisterschaften im Schwimmen.

(domi)
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