Interview Tim Schneider „Ich habe einfach Spaß an der Aufgabe“

Hilden · Der neue Chefcoach des VfB 03 Hilden will dem Oberliga-Team die richtige Balance zwischen Defensivstärke und Offensivpower vermitteln.

 Tim Schneider (links) zeigt jetzt für das Oberliga-Team des VfB 03 Hilden und Simon Metz (rechts) die Richtung an.

Tim Schneider (links) zeigt jetzt für das Oberliga-Team des VfB 03 Hilden und Simon Metz (rechts) die Richtung an.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Nach einer Woche Pause starten die Oberliga-Fußballer des VfB 03 Hilden jetzt in die intensive Phase der Vorbereitung auf die neue Saison. Für den neuen Chefcoach Tim Schneider ist es zugleich der Start in eine neue Herausforderung als Trainer, die er engagiert und akribisch angeht. Zuletzt betreute er gemeinsam mit Co-Trainer Henry Schmidt die zweite Mannschaft des VfB 03, die den Aufstieg in die Landesliga schaffte.

Wie sehr waren Sie überrascht von der Anfrage, die erste Mannschaft des VfB 03 Hilden zu übernehmen – oder hatten Sie insgeheim sogar darauf gehofft?

Schneider Ich war schon überrascht, denn die Zusammenarbeit zwischen erster und zweiter Mannschaft und mit Marc Bach war grundsätzlich gut. Außerdem hätte ich nicht gedacht, dass etwas frei wird. Es war also schon sehr überraschend und gleichzeitig eine Riesenfreude, die Chance und das Vertrauen zu bekommen. Mit Henry Schmidt habe ich schon sechs Jahre bei Schwarz-Weiß Düsseldorf gearbeitet. Danach war ich ein halbes Jahr allein als Trainer für die zweite Mannschaft des VfB verantwortlich, dann ist Henry wieder dazugekommen. Inzwischen mache ich den Trainerjob schon seit acht Jahren und ich freue mich, dass ich nun eine erste Mannschaft übernehmen kann. Es ist nicht unbedingt üblich, dass man nach einer Lösung in den eigenen Reihen sucht, deshalb fühle ich mich sehr wertgeschätzt.

Bislang waren Sie in der Kreisliga B und A sowie in der Bezirksliga als Trainer unterwegs. Wie groß ist für Sie der Sprung in die Oberliga?

Schneider Auf jeden Fall ist es eine neue Erfahrung und es wird definitiv sehr spannend. Mein Interesse war, als Trainer so hoch wie möglich zu arbeiten, um mehr auf taktische Dinge eingehen zu können als das in den unteren Ligen möglich ist. Dazu ist die Zusammenarbeit mit Björn Opgenoorth sehr professionell. Ich fand schon immer top, dass verletzte Spieler zu ihm ins Studio gehen konnten und dann erst wieder auf den Platz kamen, wenn sie belastbar waren. Die Zusammenarbeit von der medizinischen Abteilung, so nenne ich das mal, und den Trainern auf dem Platz ist gut. Für uns wird der Aufwand in der Oberliga nicht mehr, denn wir haben schon mit der zweiten Mannschaft sehr akribisch gearbeitet und uns in die Aufgabe reingekniet. Das ist letztlich auch mit Erfolg belohnt worden. Wichtig war für uns die Frage: Lässt sich der Mehraufwand mit der Familie vereinbaren? Wir haben aber mutig gesagt: Oberliga trauen wir uns. Und ich habe einfach Spaß an der Aufgabe. In dieser Liga spielen die Gegner nicht nur ein System, sondern mehrere, und es ist wichtig darauf zu reagieren.

Es gab also auch die Freigabe Ihrer Ehefrau?

Schneider Ich habe immer viel Freiheit bekommen, das muss ich sagen. Dreimal die Woche bin ich abends nicht bei der Familie, dazu kommen die Spiele am Sonntag – da muss meine Frau dahinterstehen und das OK geben. So wie es jetzt läuft, ist das aber kein Problem.

Haben Sie auf die höhere Liga hingearbeitet? Welche Lizenz haben Sie?

Schneider Ich habe 2017 die B-Lizenz gemacht, die bis einschließlich Oberliga gilt. Es war mir klar, dass ich mir das zutraue. Man sollte immer ein höheres Ziel haben, nach dem man strebt. Dass es so schnell passiert, macht Henry und mich glücklich.

Die Oberliga ist Neuland, dazu kommen die Unwägbarkeiten in der Corona-Krise: Wie groß ist die Herausforderung?

Schneider Ich habe einen gesunden Respekt und zugegebenermaßen auch eine gewisse Nervosität, weil es direkt zwei Klassen höher geht. Durch den Zuspruch, den ich bekommen habe und durch das Feedback der Bezirksliga-Spieler, die bereits Oberliga-Erfahrung haben, ist mein Selbstvertrauen groß genug. Momentan sind Vorfreude und Spaß aber wesentlich größer als die Nervosität. Wir werden genauso weiterarbeiten wie in der Bezirksliga – akribisch und mit mehr Aufwand als andere. Für mich ist Fußball Lebensinhalt. Ein Leben ohne Fußball kann ich mir nicht vorstellen, deshalb habe ich Spaß daran, die Herausforderung anzunehmen.

Die Messlatte hängt mit Rang 8 in der vergangenen Saison hoch. Was wollen Sie mit Ihrer Mannschaft erreichen?

Schneider Ich habe mir die letzten sieben Oberliga-Jahre des VfB mit den jeweiligen Endplatzierungen mal genauer angeschaut und gesehen: Es wäre mehr möglich gewesen, wenn man mehr am Verhindern von Gegentoren gearbeitet hätte. Bezüglich der Gegentore war der VfB sechs Jahre lang unter den sechs schlechtesten Mannschaften der Liga. Sechs Jahre gehörte er aber auch zu den Top 5, Top 6 der Teams, die die meisten Tore geschossen hatten. So kam es zu durchschnittlichen Endplatzierungen. Das wollen wir anpacken: Die Anzahl der Gegentore deutlich minimieren und die Offensivpower zugleich weiter konstant halten. Ich glaube, dass die Kurve dann automatisch nach oben geht. Allerdings ist es für alle Neuland, in der Saison 44 Spiele zu machen. Wir wollen daher so früh wie möglich den Klassenerhalt schaffen und dann schauen, was noch geht. Wir müssen jedes Spiel ernst nehmen, das hat sich jetzt gezeigt: Kommt Corona, ist die Saison vorbei. Dann hat man keine fünf Spiele mehr, in denen man noch etwas retten kann. Punkte, die man liegen lässt, bleiben liegen – die kann man nicht mehr doppelt holen.

Wie kann sich die Defensive verbessern?

Schneider Es fällt leichter, nach vorne zu laufen und Tore zu machen als nach hinten, um Tore zu verhindern. Die Wege nach hinten tun weh, da sind die Spieler gefordert, denn das ist eine Einstellungssache. Defensive fängt schon vorne an. Es wird spannend zu sehen, wie wir das hinbekommen. Wir wollen flexibel spielen, damit wir nicht ausrechenbar sind. Das ist das große Ziel, aber das ist ein Prozess, der über Jahre geht. Es macht keinen Sinn, ein bestimmtes System zu spielen, wenn man nicht die Leute dafür hat. Man muss ein Feingefühl entwickeln und mit der Mannschaft Rücksprache halten.

War der Landesliga-Aufstieg der richtige Abschluss für Ihr Engagement bei der zweiten Mannschaft des VfB 03?

Schneider Es hat mich sehr gefreut, dass wir es gepackt haben. Wir waren ja schon im vergangenen Jahr auf einem guten Weg. Ich habe nie darüber gesprochen, weil ich immer abergläubisch war, aber jetzt kann ich es sagen: Ich habe damit auch ein kleines Trauma überwunden. Als ich in der Saison 2002/2003 in der ersten Mannschaft des VfB gespielt habe, mussten wir am letzten Spieltag gegen den TuS Neviges, der einen Punkt vor uns lag, gewinnen. Wir haben 2:2 gespielt und ich habe damals zwei Tore vorbereitet – aber wir sind nicht aufgestiegen. Wegen eines Mittelfußbruchs war ich in der folgenden Saison außer Gefecht gesetzt. In jenem Jahr ist die Mannschaft dann in die Landesliga aufgestiegen, ich habe aber wegen der Verletzung kein Spiel dazu beigetragen. Deshalb war das jetzt für mich etwas ganz Besonderes, ein Gänsehautmoment – das war echt schön. Jetzt habe ich alles nachgeholt, bin völlig befreit . . . (Schneider lacht).

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