Imaginäre Berg- und Talfahrt

Der achtstündige Spinning-Marathon des HATfit lockte 80 Radler aus ganz Nordrhein-Westfalen. Ein Instructor und die Liveband „Sixpac“ leisteten Steigungshilfe.

Gleichmäßig bewegen sie sich zum Takt der Musik. In fünf Reihen überwinden sie den inneren Schweinehund. Manche acht Stunden am Stück, andere zwei oder vier. Beim Spinning-Marathon des HATfit loten rund 80 Fahrer aus NRW ihre körperlichen Grenzen aus, 35 von ihnen bewältigen die acht Stunden allein. Instructor Stefan Amiri feuert sie an und beschallt mit Techno die Holterhöfchen-Halle. Leise surren die Spinning-Bikes. Der Schweiß rinnt Jung und Alt aus den Poren. Die meisten tragen Radtrikots. Die Luft ist aufgeheizt. „Nutzt die Pause vor der letzten Explosion und richtet euch auf. Cheers“, sagt Amiri und nimmt einen Schluck aus seiner Trinkflasche.

Amiri ist einer von fünf deutschen Spinning Master Instructors, reiste für diesen Job aus Bremen an. Seine Marathon-Teilnehmer strampeln aufrecht im gemäßigten Tempo weiter. „Oh yeah, come on“, beendet Amiri die Pause. Jubel brandet auf. „Wir sind noch nicht ganz am Ziel. Jetzt kommt mein letzter Gruß an euch“, kündigt der Instructor den imaginären Berg an. Die Marathonis erhöhen den Widerstand ihrer Spinning-Räder, simulieren so eine Steigung. Sie stehen auf, während sie den letzten Anstieg bewältigen.

In der ersten Reihe tritt der stellvertretende Bürgermeister Norbert Schreier in die Pedale, teilt sich die acht Stunden mit einem Partner. Neben Schach- ist er Spinning-Fan, trainiert zwei Mal pro Woche und sitzt nun das zweite Mal für vier Stunden am Stück auf dem Trimmdich-Fahrrad. „Danach fühlt man sich wohl. Ich bin immer gern radgefahren. Spinning ist eine echte Alternative. Ich kann meinen Puls kontrollieren und erkenne meine Grenzen“, sagt Schreier und stillt seinen Durst. Einen Liter trinkt er pro Stunde, schließlich kühlt kein Fahrtwind den Körper. Die vorletzte Stunde haben er und seine Mitstreiter überstanden, stärken sich mit Bananen und Äpfeln.

Nach drei Stunden hat Gabriele Vitez-Saad zwar noch nicht genug, bricht aber die Tour ab. „Mein Sohn besucht mich gleich“, sagt die 68-Jährige. Dreimal wöchentlich trainiert sie. „Spinning ist gut für die Gesundheit. Ich habe keine Krankheiten, Wehwehchen und fühle mich 20 Jahre jünger.“ Singend verlässt Michael Boost (49) nach sechs Stunden Einsatz die Halle. „Spinning ist eine geile Sache. Jeder kann sein Tempo bestimmen und kommt nicht mit hochrotem Kopf aus dem Training.“ Der Oberhausener Spinning-Trainer hat noch Kraft, „aber ich bin zuletzt erst zwölf Stunden gefahren und habe morgen früh ein Radtraining über 150 Kilometer vor mir“.

Die letzte Stunde schlägt. Marathon-Organisator Richy Monreal nimmt den Platz des Instructors ein. Die Hildener Rock-Coverband „Sixpac“ löst die Stereoanlage ab. Klassiker wie „Unchain my heart“ muten als Untermalung zunächst seltsam an, kommen aber gut an. Einige Sportler singen mit. „Nehmt mit dem rechten Bein den Beat an. Dann konzentriert euch aufs linke“, flüstert Monreal ins Mikrofon. Die nächste Steigung: Die Radfahrer stehen auf, wippen gleichmäßig im Takt und saugen den Sauerstoff ein. „Schön locker. Fahrt im Stehen wie eine Schlange“, feuert Richy Monreal sein Gefolge an und kontrolliert derweil die Pulsuhren. Niemand soll sich überlasten.

Neugierig beobachtet Dieter Buß, Vorsitzender der Hildener AT, das Treiben: „Ich habe Achtung davor. Ich bin nämlich mal zehn Minuten damit gefahren“, deutet er auf die Spinning-Bikes. Einen Marathon würde er nicht fahren: „Nachher werde ich noch süchtig und muss regelmäßig trainieren“, sagt Buß und lächelt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort