Lokalsport Die Stadt als Spielplatz

Lokalsport · Bei der neuen Sportart Crossboccia dienen Straßen, Schulhöfe, Stufen und Hindernisse aller Art als Wurfzone. Die Regeln sind denen des Boule nachempfunden.

 Gefühlvoll: Weltmeister Sebastian Funder wirft, beobachtet von Jesper Sandow (l.) und Florian Friege.

Gefühlvoll: Weltmeister Sebastian Funder wirft, beobachtet von Jesper Sandow (l.) und Florian Friege.

Foto: Staschik

Hilden Mit ruhiger Hand setzt Sebastian Funder zum Wurf an. Etwa vier Meter von ihm entfernt befindet sich sein Ziel: der Marker. Eine kleine weiße, mit Granulat gefüllte Stoffkugel. Kaum größer als ein Tischtennisball. Noch ein letzter Kontrollblick, dann der Abwurf. Die bunte Stoffkugel fliegt durch die Luft und landet auf einer der Stufen am Alten Markt in der Hildener Innenstadt. Sebastian Funders Kugel kommt dem kleinen Marker am nächsten. Der Crossboccia-Weltmeister hat sein gutes Auge unter Beweis gestellt. Die Runde ist beendet, Funder bekommt einen Punkt.

Nach einem kurzen Abklatschen mit seinen Freunden Florian Frieges und Jesper Sandow geht es weiter. Diesmal integrieren sie das Wilhelm-Fabry-Denkmal in den Spielzug. Bevor die eigene Kugel den Boden berühren darf, muss sie einmal das Denkmal zumindest touchiert haben. Diese Beispiele zeigen, was den Reiz der neuen Sportart Crossboccia ausmacht: Kreativität, Spontanität. Improvisationstalent.

Als Variante des Traditionsspiels Boule, bei dem mit schweren Metallkugeln gespielt wird, haben die Spieler beim Crossboccia spezielle Stoffkugeln, die mit einem Kunststoffgranulat gefüllt sind. Die Regeln sind einfach: Jeder Spieler hat drei Kugeln, wer nach drei Würfen der Zielkugel, dem Marker, am nächsten kommt, hat die Runde gewonnen. Liegen gleichzeitig zwei oder sogar drei eigene Kugeln näher zum Marker als die bestplatzierte Kugel eines Kontrahenten, gibt es entsprechend mehr Punkte. Berühren sich die eigenen Kugeln dabei sogar, gibt es Bonuspunkte.

Gespielt wird überall, als Hindernisse dienen Rutschen auf Spielplätzen, Gebäude in der Innenstadt oder Autos. "Wir haben in Hilden schon alle Schulhöfe und Spielplätze durch", erzählt Sebastian Funder, der seit rund einem Jahr mit den bunten Kugeln unterwegs ist. "Anfangs haben wir uns immer nach der Arbeit getroffen und gezockt. Einfach wie jeder Lust hatte, da alles nicht so reglementiert ist."

Bei der Crossboccia-Weltmeisterschaft im Duisburger Landschaftspark, setzte sich der Hildener gegen rund 120 Teilnehmer aus ganz Deutschland durch und sicherte sich seinen ersten Titel. Der Weltranglisten-Sechste, den in der Crossboccia-Szene alle nur "FunderWunder" nennen, war für die Hauptrunde gesetzt und siegte nach souveränen Spielen in der K.O.-Runde in einem spannenden Finale gegen seine drei Konkurrenten. "Nachdem ich im Halbfinale meine Bälle tauschen musste, weil einer in einem Hallendach stecken geblieben ist, habe ich im Finale das Spiel der Spiele gemacht – da lief es einfach", erzählt Funder. Doch erst in der vorletzten Runde des 18-minütigen Finals konnte sich der Großhandelskaufmann entscheidend von seiner Konkurrenz, zu der auch der Miterfinder des Crossboccias, Wojtek Nawrot aus Wuppertal gehörte, absetzen und den Sieg über die Zeit retten. "Beim Finale ging es zu wie bei der Tour de France-Etappe nach Alp d'Huez – das war richtig cool und die Menge hat gekocht", berichtet Florian Frieges, der ebenfalls teilnahm.

Wie viel Aufsehen das Spiel weckt, zeigt der Showkampf auf der Mittelstraße. "Die Leute bleiben stehen und sprechen uns an – die Kontaktschwelle ist sehr niedrig", sagt Sebastian Funder, der in seiner Freizeit auch Basketball spielt oder Krafttraining macht. "Der Funder macht alles und am liebsten sieben Tage die Woche ohne Pause", scherzt sein Freund Frieges.

(tzb)
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