Fastenaktion der Evangelischen Kirche Sieben Wochen ohne Schwarzsehen – geht das?

Mettmann · „Sieben Wochen ohne...“, das ist das Leitmotto der Evangelischen Kirche für die Fastenzeit zwischen Karneval und Ostern. In diesem Jahr gibt es die Anregung, auf Schwarzsehen und Pessimismus zu verzichten.

 50 Jahre HHG, vl Schulleiter Hanno Grannemann und Pianistin Hanni Liang (ehemalige Schülerin)

50 Jahre HHG, vl Schulleiter Hanno Grannemann und Pianistin Hanni Liang (ehemalige Schülerin)

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Eine Idee, die in Zeiten des sich ausbreitenden Corona-Virus an Brisanz gewinnt. Optimistisch bleiben – geht das überhaupt, wenn eine Pandemie das öffentliche Leben lahm legt? Oder brauchen wir Optimismus jetzt erst recht? Wir hörten uns bei Mettmanner Persönlichkeiten um. Hanno Grannemann, Leiter des Heinrich-Heine-Gymnasiums, hat seine eigene Sicht auf die Dinge:

„,Ich weiß es doch auch nicht.’ So lautete der Titel des Programms, mit dem der Kabarettist Wilfried Schmickler vor wenigen Jahren durch die Lande zog. Ausgerechnet Schmickler, der Unverbesserlichste aller Welterklärer, Allesdurchschauer und wortgewandteste Dampfplauderer der Neuzeit, sollte nun also nicht mehr in der Lage sein, Antworten geben zu können?

Was als selbstironischer Gegenentwurf zu seinem eigentlichen Wesen gedacht war, trifft bei näherem Hinsehen genau den Kern eine der zentralen Fragen dieser Zeit: Was ist die Wahrheit? In Zeiten, in denen jeder, einfach jeder, jederzeit zu jeder Fragestellung jede noch so sinnentleerte Meinung von sich geben darf, fällt es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Und so steht der Einzelne am Ende doch recht verloren da. Es kommt noch schlimmer: Nicht nur, dass man sich jetzt geradezu zwangsläufig auch eine eigene Meinung bilden muss, sondern auch, dass man nun endlich Farbe bekennen soll, ob man seines Zeichens ein übellauniger, grantelnder Pessimist oder doch eher ein unerträglich gut gelaunter, unverbesserlicher Optimist ist.

Und so wird alles, was man äußert, unverzüglich einer Kategorie zugeordnet, womit wiederum der Inhalt in den Hintergrund rückt und zur Pose mutiert. Dabei ist doch eigentlich jede Form der Radikalisierung, also auch das schon dem Wortstamm nach superlativistische Gut- oder Schlechtdenken, abzulehnen – vielleicht mit einer Ausnahme: dem Realismus. Der erlaubt es einem, die Welt zunächst wertfrei zu betrachten, Rückschlüsse zu ziehen und dann zu einer begründeten Einschätzung zu gelangen.

Können Sie sich erinnern? Noch vor wenigen Wochen waren diejenigen, welche vor einer Pandemie warnten, „Panikmacher“ (übrigens als von Panik ganz und gar nicht die Rede sein konnte) und diejenigen, welche dazu mahnten, Ruhe zu bewahren, „naive Traumtänzer“. Dabei hatten beide Recht. Vielleicht sollten wir also weder Optimisten noch Pessimisten sein, vielmehr sachlich und natürlich entspannt bleiben. In diesem Sinne gebührt unserem allseits geschätzten Kabarettisten mit dem Titel eines anderen seiner geistreichen Programme auch das Schlusswort: Danke!“

(RP)
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