An(ge-)dacht Sehnsucht ist eine treibende Kraft

Mettmann · Oblomow heißt er, der Hund, der dem Tänzer Nurejew eines Tages zukommt. Zumindest nach der Erzählung von Elke Heidenreich. Seine bisherigen Herrchen haben ihn vernachlässigt. Bei Nurejew jedoch fühlt er sich wohl. Er darf sein, wie er ist: plump, freundlich und träge. Meist liegt er auf einem Kissen und schläft. Er darf mit zum Training und wird langsam zu einem Tanzexperten. Der Hund findet schön, wie Nurejew tanzt.

Als Nurejew stirbt, hat er für den Hund gesorgt: Eine bekannte Ballerina kümmert sich um ihn. Oblomow darf sogar mit zur Beerdigung kommen. Anschließend hören sie gemeinsam Musik, zu der Nurejew früher tanzte, und manchmal haben beide Tränen in den Augen. Sie krault ihn und sagt: "Mein Armer, er ist nicht wirklich weg, er ist immer hier bei uns." Oblomow spürt, dass daran etwas Wahres ist.

Der Hund wird alt und kann nachts nicht mehr gut schlafen, weil ihm zu viele Gedanken durch den Kopf gehen. Er geht dann manchmal auf den Balkon und ertappt sich einmal dabei, wie er versucht, Tanzschritte auszuführen. Ihn treibt die Sehnsucht nach seinem Herrn. Die Ballerina bemerkt das Treiben des Hundes, hat aber ein gutes Gespür, es ihn nicht merken zu lassen. Am Grab Nurejews überredet die Ballerina den Hund einmal für ihn zu tanzen, was der Hund auch tut. "Wie stolz wäre er auf dich, mein Lieber", sagt sie zu dem Hund.

Oft höre ich ähnliche Geschichten von Menschen im oder am Krankenbett. Sehnsuchtsvolle Geschichten, die den bereits verstorbenen Partner vermissen lassen. Geschichten von Aufbrüchen und Abbrüchen. Gemischt mit Trauer und Furcht, mit Dankbarkeit und Freude in der Erinnerung. Manchmal voll Lebenskraft und dem Willen, es noch mal zu versuchen. Manchmal gerichtet auf das Leben in ewiger Gemeinschaft mit Gott und den bereits Vorausgegangenen.

Sehnsucht ist bei vielen Menschen die treibende Kraft zur Kanalisierung von Trägheit, Angst und Trauer. Oft führt das zu einer Art Auferstehung mitten im Leben. Da, wo die Sehnsucht groß genug ist, werden wir erleben: "Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, ... selbst Tote stehen auf und den Armen wird die Frohe Botschaft verkündet."(Lk 7,22) Die Sehnsucht zu wecken oder wachzuhalten ist eine Aufgabe der Krankenhausseelsorge sowie der Freunde und Angehörigen. Eine gute Woche wünscht

Joachim Lenninghausen, Katholischer Krankenhausseelsorger im Evangelischen Krankenhaus Mettmann

(RP)
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