Wülfrath Seele in Beton

Düsseldorf · Das evangelische Gemeindehaus Düssel zeigt Fotos, die junge Untersuchungsgefangene gemacht haben.Professor Jürgen Fangmeier: Die Christliche Gemeinde muss sich auch der Straffälligen annehmen.

„Es wird ein Leben ohne Gitter geben...“ Andächtig lauschten die Besucher der Eröffnung der Ausstellung, „Seele in Beton“, im evangelischen Gemeindehaus Düssel, bis der letzte Ton des anrührenden Liedes verklungen war. Pfarrer Erhard Ufermann, ehemaliger Seelsorger der Evangelisch-Bergischen Gefängnis-Gemeinde, von dem die Idee zu dem Ausstellungsprojekt stammt, hat es getextet, vertont und am Ende der Weihnachtsfeiern mit den jugendlichen Untersuchungsgefangenen und Kurzzeitsträflingen der Wuppertaler Justizvollzugsanstalt (JVA) Simonshöfchen gesungen.

Denen da draußen etwas sagen

„Bis heute wird es regelmäßig am 2. Weihnachtsfeiertag gesungen“, erzählt Wolfgang Böhme, Presbyter in Düssel und häufiger Besucher der JVA, der die Eröffnung mit Gedichten von Gefangenen begleitete. Fotografin Bettina Osswald und Harald Mielke, Mitarbeiter der Gefängnis-Gemeinde, machten aus Ufermanns Idee ein Gruppenangebot für junge Untersuchungsgefangene. Jeder konnte selbst entscheiden, wie er auf seinem Foto gesehen werden wollte. Stichwort: „Was wollt ihr denen draußen sagen.“ Von 40 Interessenten wurden acht ausgewählt. „Es gab zuvor einen Suizid. Wir haben die genommen, die um ihn waren“, sagte Mielke.

„Seele in Beton“ zeigt großformatige Schwarz-Weiß-Fotos. Eine schmucklose Zelle, in der ein Jugendlicher auf einer Pritsche liegt. Der nachdenkliche Blick eines Inhaftierten durch Gitterstäbe. Ein junger Mann mit verschränkten Armen und bloßem Oberkörper auf dem Betonhof der JVA. Unter einem Kreuz, mit Kreuz in der Hand, ließ sich ein anderer Jugendlicher fotografieren. Mitgefangene frotzelten, sie hätten gar nicht gewusst, dass er was mit Kirche am Hut habe. „Ich möchte das Foto meiner Mutter schicken. Es soll ihr zeigen, dass irgendwo noch ein guter Kern in mir ist“, entgegnete er, erzählt Harald Mielke.

Mit Stellwänden, Tisch, Bett und Stuhl aus der JVA wird Ausstellungsbesuchern ein Eindruck von der Größe einer Gefängniszelle vermittelt. Die Ausstellung wirbt um Verständnis für junge, straffällig gewordene Menschen. „Eingesperrt sein darf nicht beruhigen. Denn da ist 'Seele in Beton‘“, sagte Professor Jürgen Fangmeier in seinen Eingangsworten. Wenn man in eine Strafanstalt komme, habe man den Eindruck, man begegne Menschen, die viel normaler seien, als man von „Knackis“ denke, eben Menschen. „Die christliche Gemeinde hat ihre Kriminellen wie ihre Kranken. Es ist ein Missverhältnis, wenn sie sich ihrer Kranken und nicht ihrer Straffälligen annimmt.“

Geld für Mauern und Drähte

Mielke beklagte, dass bei der JVA acht Millionen Euro in zusätzliche Mauern und Drähte gesteckt wurde, aber kein Geld für einen Drogenbeauftragten da sei. Die seit 2000 bestehende Wanderausstellung wurde bereits in unterschiedlichsten Einrichtungen gezeigt. Von Düssel aus geht sie nach Hilden, dann nach Dresden in den sächsischen Landtag.

(RP)
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