Mettmann Pro Familia feierte mit dem ersten „Dr. Sommer“ Jubiläum

Düsseldorf · „Elberfelder Str. 6“ steht in großen Lettern auf dem unauffälligen Haus in der Innenstadt. Dort befindet sich die Beratungsstelle der Pro Familia des Kreises Mettmann. Gestern feierte sie ihr 15-jähriges Bestehen.

Neben den offiziellen Gratulanten des Kreises und der Stadt Mettmann freuten sich Team und Gäste besonders über den Besuch einer Ikone der deutschen Sexualaufklärung: Dr. Martin Goldstein, bekannt als „Dr. Sommer“, dem Jugendberater aus der Zeitschrift „Bravo“. „Ich freue mich über die Arbeit, die Pro Familia leistet“, sagte der fast 80-jährige Stargast. In seinem Vortrag ging er mit dem gesellschaftlichen Umgang zum Thema Sexualität auch in der heutigen Zeit hart ins Gericht: „Aus der wissenschaftlichen Pädagogik oder der Politik kommen ebenso wenige positive Impulse wie in der Adenauer-Zeit.“ Das Bedürfnis nach Aufklärung sei von den Jugendlichen und aus dem Volk gekommen. Die Medien hätten das Thema in den 60er Jahren dankbar aufgegriffen und dabei eine Marktlücke entdeckt. Er selbst habe in der Zusammenarbeit mit „Bravo“ die Chance gesehen, sein Wissen als Arzt und Therapeut zu verbreiten.

Viele Anfragen von Schulen

In einem historischen Überblick zeichnete er ein erschütterndes Bild fehlender oder falscher Aufklärung in den beiden letzten Jahrhunderten nach, bei dem künstlich geschürte Schuldgefühle nicht selten sogar zum Selbstmord führten. Der Pionier der Sexualaufklärung erzählte von mutigen Vorgängern vor allem aus den Reihen evangelischer Theologen, Oswald Kolle und dem Kinsey-Report, der einst Amerika erschütterte. Wirre Verhütungsvorstellungen aus jugendlichen Leserbriefen an „Dr. Sommer“ sorgten für Erheiterung. „Ich habe in meiner eigenen Jugend erfahren, dass meine Erfahrungen ganz im Gegensatz zu dem standen, was öffentlich verkündet wurde. Deshalb habe ich mit 42 Jahren das Buch geschrieben, das ich selbst gerne als 13-Jähriger gelesen hätte“, erzählte Dr. Martin Goldstein.

Den breit gefächerten Beratungsbedarf von psychologischen über medizinische bis zu sozialen Aspekten zum Thema Sexualität deckt das Team der Pro Familia in Mettmann mit sechs Mitarbeitern. „Inzwischen bekommen wir immer mehr Anfragen von Schulen. Die Schulen übernehmen immer stärker auch erzieherische Aufgaben“, berichtete Beratungsstellenleiter Andreas Müller.

Eine alarmierende Entwicklung zeichne sich in der Schwangerschaftskonfliktberatung ab. Bei gewünschten Schwangerschaftsabbrüchen ständen häufig finanzielle Gründe im Vordergrund. Auch käme es bei Hartz IV-Empfängerinnen immer häufiger zu ungewollten Schwangerschaften, weil sie sich die teuren Verhütungsmittel vom Regelsatz nicht leisten könnten. Den eigenen finanziellen Engpass in der Finanzierung hofft Pro Familia durch den neu gegründeten Förderverein ausgleichen zu können.

(RP)
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