Schüler vom Berufskolleg Mettmann engagieren sich Spuren jüdischen Lebens

Mettmann · In Zusammenarbeit mit Stadtarchivarin Marie-Luise Carl, den Arolsen Archives sowie dem Zentrum für NS Verfolgung zeichneten Berufskolleg-Schüler wie Emmy Lekies und Julia Hildebrand die Spuren jüdischer Familien nach.

 Die Berufskolleg-Schülerinnen Julia Hildebrandt und Emmy Lekies (blaues T-Shirt) stellten die Ergebnisse der Nachforschungen vor. „Verzogen, verschollen und vernichtet“ lautet die Überschrift ihrer Dokumentation. 

Die Berufskolleg-Schülerinnen Julia Hildebrandt und Emmy Lekies (blaues T-Shirt) stellten die Ergebnisse der Nachforschungen vor. „Verzogen, verschollen und vernichtet“ lautet die Überschrift ihrer Dokumentation. 

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Jenseits des regulären Unterrichts können die Schüler des Berufskollegs Neandertal freiwillig besondere Kurse belegen, die jedoch nicht zeugnisrelevant sind. Beispielhaft ist der Kursus „Wissenschaftliches Arbeiten“ unter der Leitung von Peter Enzenberger, dessen aktuelle Ergebnisse jetzt unter dem Titel „verzogen, verschollen und vernichtet“ vorgestellt wurden. Dokumentiert werden Aspekte jüdischen Lebens und deren nationalsozialistischen Verfolgung, um ein Stück Lebensgeschichte nachzuzeichnen und auf Spurensuche zu gehen.

Der Nationalsozialismus hat Wunden auch in Mettmann hinterlassen und exemplarisch haben Teilnehmende des Kurses am Schicksal der beiden jüdischen Familien Bach und Kowalski deren Schicksale erzählt. Sie wurden am 26. Oktober 1941 von Mettmann nach Lodz deportiert und ermordet.

Um die Geschichten zu dokumentieren, gingen die Schüler auf intensive Zusammenarbeit etwa mit der Stadtarchivarin Marie-Luise Carl, den Arolsen Archives sowie dem Zentrum für NS Verfolgung im hessischen Bad Arolsen. Aber auch privaten Aufzeichnungen haben ermöglicht, dass die Mitglieder der Familien durch die Recherche und Auseinandersetzung wieder ein Gesicht bekamen, das genaue Datum der Deportation bekannt wurde und die abenteuerlich und letztlich glücklich endende Geschichte der Martha Kowalski, die nach England entkommen konnte und später nach Amerika auswanderte, erzählt werden kann.

Die Schülerinnen Julia Hildebrandt und Emmy Lekies stellten die Ergebnisse der Nachforschungen vor. Schockierend waren die Berichte, wie viele Deutsche von den Enteignungen und Deportationen der Juden profitierten: Die so frei gewordene Arbeitsplätze wurden mit Nichtjuden besetzt, im Beamtenapparat gab es dadurch unzählige Beförderungen, Immobilien konnten weit unter dem eigentlichen Wert gekauft werden, Geschäfte und Warenbestände sowie Möbel und anderer Hausrat wurden oft zu Spottpreisen übernommen. Eine unvorstellbare Zahl so genannter anständiger Bürgern wurde somit zu Mittätern.

Emmy Lekies betonte, dass ihr Engagement, sich mit den unvorstellbaren Grausamkeiten der NS-Zeit zu beschäftigen, sich vor allem an ihre Altersgruppe richte, denn der „Antisemitismus hat wieder Fuß gefasst und stellt eine immense gesellschaftliche Herausforderung dar“, wie die 18-Jährige sagte. Nicht nur Rechtsextreme scheuen sich nicht, antisemitische Untaten zu begehen, gleiches ist bei Zugewanderten aus arabischen, türkischen und osteuropäischen Ländern zu beobachten.

Erschütternd sei, so berichteten die beiden unter anderem, dass von den Opfern nur Namen auf Listen übrig blieben – als reine Verwaltungsarbeit und sogar die Aufstellungen über die Kosten der Fahrten in das Ghetto wurden aufgezeichnet. Von den Tätern gibt es Fotos, in Zeugenaussagen relativieren sie ihre Schuld, die eigene Verantwortung wurde verdrängt, das unvorstellbare Grauen war Tageswerk und wurde damit eben alltäglich. So referierten die Schüler.

Martha Kowalski heiratete noch in England einen jüdischen Zahnarzt, bekam zwei Kinder, Jacob und Barbara, und die Familie ging 1952 nach Amerika und wurde dort 1958 eingebürgert. Unzählige Anfragen beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes konnten ihr keine Auskunft über den Verbleib ihrer Familie geben. Was bleibt?

Für den Kurs „Wissenschaftliches Arbeiten“ nur eines: „Nie wieder Antisemitismus in Deutschland“. Schulleiterin Petra Bertelsmeier war sichtlich zufrieden mit den Ergebnissen. Am „Courage Tag“, der am 26. Oktober stattfindet, wird die Dokumentation wieder gezeigt, übrigens unter so etwas wie der Schirmherrschaft von Pfarrer Bertold Stark, dem Paten des Berufkollegs für diesen besonderen Tag.

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