Kabarett in der Kulturvilla Neues Programm von Hans-Joachim Adelhöfer kommt gut an

Mettmann · Hans-Joachim Adelhöfer hat in Mettmann sein Abendprogramm "Hirn ist auch für Frauen wichtig" vorgestellt. Nach zwei Stunden Standpauke vom Freigeist rauchten auch dem letzten Zuschauer die Ohren.

Ist das noch Kabarett oder schon Kunst? Das Oberstadt-Original Hans-Joachim Adelhöfer stellte in der salonesken Kulturvilla sein achtes Abendprogramm "Hirn ist auch für Frauen wichtig" vor und paralysierte nachhaltig. Über zwei Stunden hielt der Freigeist Standpauken, predigte Spottlitaneien und durchpflügte den Acker der Agora. Rund achtzig Zuhörer waren herbeigeströmt, denn ein Spektakel hatten sie bei der satten Ankündigung erwarten dürfen.

Das Publikum versammelte eine Schar aus treuen Nachbarn, die um die belebende Rolle Adelhöfers für die Stadtgemeinschaft wissen. Und selbst diesen gutmeinenden und dankbaren Menschen rauchten am Ende des Abends die Ohren. Wie hatte Adelhöfer das geschafft? Schwere Geschütze hatte er nicht aufgefahren; das gesamte Bühnenbild vervollständigten schon ein Stuhl, ein Tisch und ein Stehpult. Die geballte Wortmunition steckte in einem säuberlichen geführten Ringordner, denn Adelsdörfer in der strikter Manier eines Aktenfressers durchexerziert. Nein, es war gar nicht Adelhöfer, sondern Tim Cajou - die Kunstfigur einer grauen Eminenz der Bundeswaschmaschine und ein perfider Einflüsterer der Kanzlerin.

Ein Mäuseblick in dessen Vortragskladde wäre wohl umwerfend. Man käme auf tausende zählbare Worte, wenn nicht gar tausende Seiten. Cajou ist ein manischer Schreiber, der den wildwachsenden Politikbetrieb zu Analyseprosa ausschweifend verarbeitet. So wie Samuel Pepys das Londoner Leben protokolierte oder Heinrich Heine seine Streifzüge durch Europa verdichtete, so wird Cajou zum wortakrobatischen Fleischwolf der Berliner Republik. Für keinen Staatsdienst ist sich der in angriffsrotem Hemd Bewamste zu schade. Er beantwortet Bürgerpetitionen und große wie kleine Anfragen der Opposition. Dabei kommen ihm lebensnahe Einsichten wie diese: "Kennen Sie das Wulffsche Gesetz? Es lautet: Um Abzukacken musst du nichts Unrechtes tun. Du musst dich nur dumm genug dabei anstellen."

Von der Berechtigung der Geheimdienste wie von der Leere der Bildungseinrichtungen - die Dreieinigkeit Adelhöfer-Cajou-Merkel konnte jeder durchs Dorf getriebenen Sau ein Bonmot abmelken. Ihr ausgiebiges Beamten-Bashing gehört zwar zum guten Kabarett-Ton, wirkt jedoch überkommen wie die Kunstform selbst. Adelhöfer legte ein beeindruckend umfassendes Sprachwerk zur postfaktischen Politikphase vor. Seine Hörerschaft schont der Heißsporn bei dieser Sentenzenvorlesung nicht.

Dabei hat er mit seiner märchenhaften Stimme das Werkzeug stets dabei, mit dem er Gefälliges unter das Volk mischen könnte. So aber forderte Adelhöfers Filibustern eine schlauchende Bewusstseinshaltung zwischen Hochkonzentration und Trance. Um solche Herausforderungen überhaupt bewältigen zu können, da behält der Kabarettist selbstredend Recht, bleibt ein gutgeschmierte Hirn für Männer wie für Frauen wichtig.

(lard)
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