Mettmann/Erkrath "Gewalt kommt nicht in die Tüte"

Mettmann/Erkrath · Etwa 500 Frauen im Jahr wenden sich aufgrund häuslicher Gewalt an die Beratungsstellen und das Frauenhaus. Am Gedenktag wollen die Gleichstellungsbeauftragten auf das Problem aufmerksam machen.

 Werben mit Brötchentüten (v.l.) Rita Rüttger, die Erkrather Gleichstellungsbeauftragte Annegret Pollmann und ihre Mettmanner Kollegin Astrid Ferl.

Werben mit Brötchentüten (v.l.) Rita Rüttger, die Erkrather Gleichstellungsbeauftragte Annegret Pollmann und ihre Mettmanner Kollegin Astrid Ferl.

Foto: D. Janicki

Wer am Samstag in vielen Mettmanner oder Erkrather Bäckereien seine Brötchen kauft, wird sich wundern. "Gewalt kommt nicht in die Tüte" - steht groß und gut lesbar auf der Brötchentüte. Auf der Rückseite finden sich neun Telefonnummern, an die sich Frauen wenden können, die Opfer von häuslicher Gewalt sind.

"In Deutschland birgt das eigene Zuhause das höchste Gewaltrisiko", sagen Annegret Pollmann und ihre Mettmanner Kollegin Astrid Ferl. Die beiden Gleichstellungsbeauftragten werden am Sonnabend selbst vor Ort sein, wenn die rund 5000 Tüten in den zwei Städten verteilt werden. Aufmerksam machen wollen sie auf ein Problem, das auch in den Städten des Kreises Mettmann weiterhin akut ist. Etwa 500 Frauen pro Jahr werden Opfer von häuslicher Gewalt. Bei etwa 50 bis 60 von ihnen ist die Gewalt so massiv, dass der einzige Schutz in einem mehrmonatigen Aufenthalt im Frauenhaus besteht.

Rita Rüttger, Leiterin des Mettmanner Frauenhauses, kennt viele Schicksale. Erst in diesem Jahr wurden zwei schwangere junge Frauen aufgenommen. Die Männer wurden immer gewalttätiger, traten den Schwangeren sogar in den Bauch. Am Ende wurden die Frauen von ihren Männern rausgeschmissen. "Die standen nur mit einer Handtasche vor der Tür", sagt Rita Rüttger. In so einem Fall bleiben die Opfer von häuslicher Gewalt einige Monate im Frauenhaus. "Sie können in Ruhe das Kind bekommen und sich erholen", sagt Rita Rüttger. Die Frauen müssten quasi aus dem Nichts heraus ein neues Leben anfangen. Nicht einmal ihre persönlichen Sachen konnten noch aus den Wohnungen geholt werden, in denen sie zuletzt mit ihrem Ex-Partner lebten.

Mit der Trennung kommen die Partner oft gar nicht zurecht. "Sie haben ihre Frauen zwar rausgeschmissen, aber einfach gehen sollen die Frauen dann doch nicht", sagt Rita Rüttger. Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses kümmern sich aber auch um eine neue Wohnung. "Wenn es sein muss, auch in einer anderen Stadt mit einer Adresse, die dann nirgendwo verzeichnet ist." Etwa vier Monate bleiben Frauen in der Einrichtung. "Etwa 70 Prozent der Frauen schaffen den Sprung in ein neues Leben, die anderen gehen wieder zu ihrem Partner zurück", sagt Rüttger. Was in den vergangenen Monaten auffällt: Häusliche Gewalt ist keine Frage des Alters, von Herkunft oder Bildung. "Wir haben etwa zwei Dutzend Seniorinnen betreut, die von ihren Männern geschlagen wurden", sagt Rüttger. Dabei waren auch Frauen, die mit ihren Männern bereits die Goldene Hochzeit gefeiert hatten. Entweder Gewalt war in der Ehe immer schon ein Thema, oder sie ist in den Jahren immer schlimmer geworden. In den vergangenen Jahren sind aber auch Schamgrenzen gefallen. Viele Frauen trauen sich jetzt endlich, darüber zu reden, was ihnen angetan wird.

Ansprechpartner finden Betroffene auf der Rückseite der Brötchentüte. Unter der bundesweit gültigen Nummer (08000 116 016) ist Hilfe 24 Stunden lang verfügbar. Sprachhindernisse sollen keine Barriere darstellen, die Mitarbeiter beherrschen viele verschiedene Sprachen. Natürlich gibt es auch lokale Hinweise auf das Frauenhaus Mettmann sowie die Beratung des polizeilichen Opferschutzes. Auch die Uniklinik Düsseldorf hat eine Gewaltopferambulanz. Als sichtbares Zeichen der Aktion wird am 25. November vor dem Rathaus die Fahne wehen mit der Aufschrift "Frei leben - ohne Gewalt."

(RP)
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