Mettmann Mehr Kinder beim Psychologen

Mettmann · Die Anfragen an den Psychologischen Dienst der Stadt Mettmann nehmen drastisch zu. Viele Mädchen und Jungen sind von Ängsten und Depressionen geplagt. Ihre Eltern sind meist ratlos und brauchen Hilfe.

 Das Experten-Team des Psychologischen Dienstes der Stadt Mettmann (v.l.): Heilpädagogin Sabine Berendonck, Psychologin Ina Egenberger, Silvia Witjes, Psychologin und Leiterin der Einrichtung, sowie die Verwaltungsangestellte Helga Piel.

Das Experten-Team des Psychologischen Dienstes der Stadt Mettmann (v.l.): Heilpädagogin Sabine Berendonck, Psychologin Ina Egenberger, Silvia Witjes, Psychologin und Leiterin der Einrichtung, sowie die Verwaltungsangestellte Helga Piel.

Foto: Dietrich Janicki

Jans Eltern waren verzweifelt. Seit zwei Jahren klagte der Siebenjährige ständig über Kopfschmerzen. Manchmal waren sie so stark, dass er nicht zur Schule gehen konnte. Der Kinderarzt fand nichts. Er schickte die Familie zum Psychologischen Dienst der Stadt Mettmann. Die kompetenten und netten Psychologinnen dort entdeckten nach mehreren Gesprächen mit Jan und seinen Eltern die Ursachen.

Das Ehepaar trug sich seit zwei Jahren mit Trennungsabsichten, die sie vor dem Sohn geheim hielten. Er wusste trotzdem Bescheid. Die permanente Angst und Unsicherheit, was nach der Trennung aus ihm werden sollte, machten dem Jungen Kopfschmerzen. Außerdem fühlte er sich schuldig. Er dachte, seine schlechten Zensuren hätten die Eltern gegen einander aufgebracht.

Die Zahl der Familien, die beim kostenlosen Psychologischen Dienst der Stadt Hilfe suchen, steigt drastisch, sagt Silvia Witjes, Leiterin der Einrichtung an der Neanderstraße. Im vergangenen Jahr betreuten die fünf Fachleute dort 200 Familien. Im ersten halben Jahr 2011 ist die Zahl der Hilfesuchenden im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr um 20 Prozent gestiegen, sagt Witjes.

Der Leistungsdruck steigt

Die Anfragen sind vielfältig. Manchmal sind die Eltern am Ende ihrer Weisheit, weil die Kinder nicht essen wollen oder mit sechs Jahren noch ins Bett machen. Mit Pubertierenden funktioniert die Kommunikation oft nicht. "Immer mehr Kinder haben mehrere Probleme gleichzeitig. Sie sind verhaltensauffällig, kommen in der Schule nicht mit und nehmen Drogen", erzählen die Psychologinnen.

Andere Kinder sind psychisch krank, haben ein Aufmerksamkeitsdefizit und sind hyperaktiv, leiden unter Ängsten, psychosomatischen Erkrankungen oder sind depressiv, weiß Witjes. Trennungen, Armut, wachsender Leistungsanspruch, Zeitmangel, weil die alleinstehende Mutter gezwungen ist, zu arbeiten, setzen immer mehr Kindern zu und überfordern ihre Eltern.

Die Familien werden von Lehrern, Erziehern, Kindergärtnern, Kinderärzten oder vom Jugendamt zum Psychologischen Dienst geschickt. Oder sie kommen von allein. "Manche wollen Lösungen für alltägliche Probleme: wenn ein Eineinhalbjähriger sich im Supermarkt auf den Boden schmeißt und alles zusammenbrüllt etwa", sagt die Psychologin Ina Egenberger.

Bei anderen sind die Besuche bei der Beratungsstelle für die Familie die letzte Rettung. "Wenn wir mehr Personal hätten, könnten wir präventiv arbeiten, so dass viele Auffälligkeiten gar nicht erst aufträten", sagt Witjes. "Wir könnten beispielsweise ein Selbstsicherheitstraining für ängstliche Kinder anbieten oder psychologische Fachvorträge für Eltern." Doch mit 2,4 Fachstellen ist das nicht machbar. "Unsere Arbeitstage sind fast immer länger als acht Stunden", sagt Egenberger.

Die meisten Kinder, die beim Psychologischen Dienst betreut werden, sind zwischen fünf und zehn Jahre alt oder in der Pubertät. Vor und nach den Ferien und wenn das Wetter schlechter ist und die Familien sich viel drinnen aufhalten müssen, wachsen die Probleme und die Anfragen an die Beratungsstelle steigen. "Wir würden die Wartezeiten von sechs Wochen gerne verkürzen", sagt Silvia Witjes. Doch ohne personelle Unterstützung ist das nicht möglich.

(RP)
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