Interview mit SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück "Man muss bundesweit präsent sein“
Kreis Mettmann · Im kommenden Jahr tritt Peer Steinbrück im Wahlkreis Mettmann I an. Bürgern rät er, ihn als Dienstleister zu sehen und einfach mal anzusprechen. Das sei das "Unkomplizierteste", meint der ehemalige Bundesfinanzminister.
Sie sind 2009 quasi als Neuling im Kreis Mettmann angetreten. Wie hat sich Ihr Verhältnis zum Kreis Mettmann inzwischen geändert — wie gut sind Sie hier verwurzelt, wie kennen Sie sich aus?
Peer Steinbrück Nach meiner Erinnerung bin ich schon 2007 gefragt worden, ob ich in diesem Wahlkreis kandidieren möchte. Und deshalb bin ich hier seitdem unterwegs. Ich kannte den Kreis auch schon vorher, weil in meiner Düsseldorfer Regierungszeit und meiner Tätigkeit bei Johannes Rau schon in den 1980er Jahren viele Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen, politische Weggefährten hier wohnten und mich einluden. Das heißt, der Wahlkreis — wenn auch nicht in allen Strukturen — ist mir von häufigen politischen und privaten Besuchen sehr geläufig gewesen, vor allem was den Südkreis angeht.
Aber der Kontakt ist wahrscheinlich enger geworden durch Ihre Kandidatur.
Steinbrück Ja. Mein Wahlkreis-Mitarbeiter hat ausgerechnet, dass ich ungefähr 240 öffentliche Termine in drei Jahren gemacht habe. Viele interne sind dabei gar nicht mitgezählt. Ich habe sehr viel Wert auf Betriebsbesuche gelegt, sehr viele tüchtige mittelständische Unternehmen kennen gelernt, auch einige internationale Investoren, was kaum bekannt ist. Das Ehrenamt lag mir immer am Herzen, nicht irgendwie aufgesetzt oder geschauspielert jetzt im Wahlkampf, sondern dafür habe ich mich auch schon als Ministerpräsident eingesetzt.
Sind die mittelständischen Unternehmen die Stärken des Kreises Mettmann?
Steinbrück Der Kreis hat die große Stärke, dass er geografisch und von der Verkehrsinfrastruktur her sehr günstig liegt. Zudem ist er stärker ländlich strukturiert, als viele glauben, und auch landschaftlich sehr reizvoll, insbesondere der südliche Teil. Und mit der unmittelbaren Nachbarschaft zu einem Zentrum wie Düsseldorf sowie auf der anderen Seite auch noch Wuppertal, Solingen und in Richtung Norden Mülheim und Essen hat der Kreis einen immensen Vorteil. Hinzu kommt, dass seine Wirtschaftsstruktur sehr ausgewogen ist. Der Mittelstand spielt eine zentrale Rolle, die Landwirtschaft übrigens auch, wenn auch in gewissen Grenzen. Die Beschäftigungsmöglichkeiten sind sehr günstig. Insofern ist das bestimmt kein strukturschwacher Kreis.
CDU-Kandidatin Michaela Noll sagte neulich, Sie seien nur auf Durchreise hier.
Steinbrück Das muss sie ja sagen. Aber ich denke, die Menschen sehen das als reine parteipolitische Polemik und werten das auch so. Was sind Ihre Ziele für den Kreis Mettmann, wo sagen Sie, dass etwas gefördert oder gestärkt werden muss — worauf setzen Sie im Wahlkampf? Steinbrück Bildung spielt eine zentrale Rolle. An manchen Stellen Verkehrsbrennpunkte, da geht es meistens um die Lärmbelästigung. Die Verbesserung der kommunalen Finanzen ist von ganz entscheidender Bedeutung. Eine stärkere kommunale Zusammenarbeit. Manchmal habe ich den Eindruck, dass da immer noch Kirchturmspolitik gemacht wird. Ansonsten bin ich als Abgeordneter Dienstleister und für die Anliegen der Bürger da. Das können auch sehr detaillierte Einzelfragen sein, ein Rentenbescheid zum Beispiel oder komplizierte steuerrechtliche Fragen.
Das heißt, man dürfte Sie auch einfach so ansprechen?
Steinbrück Das ist das Unkomplizierteste. Einige haben da nach wie vor offenbar eine kleine Barriere. Die Leute schreiben offenbar eher Briefe und suchen andere Wege, zum Beispiel über das Wahlkreisbüro. Ich war überrascht, dass meine Angebote für eine Bürgersprechstunde nicht so angenommen wurden, wie ich es erwartet hatte. Die Sprechstunden gibt es nicht mehr? Steinbrück Doch. Sie werden weiter stattfinden und angekündigt.
Wie ist Ihr Wahlkampf geplant? Da Sie Kanzlerkandidat sind, sind Sie wahrscheinlich seltener im Kreis Mettmann unterwegs, weil Sie viele andere Termine haben?
Steinbrück Das bleibt wohl nicht aus. Ein Kanzlerkandidat muss bundesweit präsent sein. Das wird mein Zeitbudget weit überstrapazieren. Trotzdem werde ich Wert darauf legen, dass eine bestimmte Zeit übrig bleibt, um im eigenen Wahlkreis aufzutreten. Da gibt es bisher noch keine genaue Festlegung, aber ich achte darauf, dass ich nicht nur woanders bin und gar nicht mehr hier im Wahlkreis.
Was könnte der Kreis Mettmann von einem Kanzler Steinbrück erwarten?
Steinbrück Als Bundeskanzler ist man verantwortlich für das ganze Land. Da muss man die Interessen aller Bürger berücksichtigen — sogar von jenen, die mich gar nicht gewählt haben. Aber ich bin dann natürlich auch Wahlkreisabgeordneter — also ein Kanzler mit genauer Lokalkenntnis des Kreises Mettmann, das wäre doch schon was.
Corinna Kuhs führte das Interview.