Wülfrath Lokale Geschichte lebt in alten Fotos auf

Wülfrath · Der Archivarbeitskreis trifft sich regelmäßig, um alte Wülfrather Bilder zu bestimmen und mit einem Text zu versehen.

 Stadtarchivar Hartmut Nolte (v.l.) traf sich wieder mit älteren Wülfrathern zur Identifizierung und Vertextung alter Fotos.

Stadtarchivar Hartmut Nolte (v.l.) traf sich wieder mit älteren Wülfrathern zur Identifizierung und Vertextung alter Fotos.

Foto: Dietrich Janicki

In der Stadtbücherei herrscht für gewöhnlich konzentriertes Schweigen einer Klosterbibliothek. Die Mitglieder des Archivarbeitskreises um den Stadtarchivar Hartmut Nolte lassen sich davon nicht beeindrucken. Sie wissen um die Bedeutung ihrer Arbeit, ohne die ein gutes Stück Wülfrather Stadtgeschichte für immer verloren ginge. Die Herren suchen sich einen gemütlichen Platz zwischen den Bücherwänden und quatschen munter drauf los, was immer ihnen zur Vergangenheit in den Sinn kommt.

Sie erzählen vom bunten Wasser der Anger, das die Druckerei Bagel grün oder gelb färbte oder von den Stehbierschaltern der Wirte, bei denen die Kinder Bier in Krüge für den Hausgebrauch abzapften. Als Gedächtnisstütze dient derweil eine Bildersammlung, die Ulrich Erbach von seinem Vater geerbt hat. Den Fundus schätzt Nolte sehr: "Fritz Erbach hat viele Dias hinterlassen." Dabei war dieser gar kein Schnappschießer, wie sich sein Sohn erinnert: "Fotoapparat hätte er wahrscheinlich mit V geschrieben. Aber man wusste, dass es als alter Wülfrather Bilder sammelte." Die Bürger haben dem Sammler die Dias zugetragen, etwa wenn Wohnungsauflösungen anstanden.

Nolte sieht fachmännisch: "An den Dias ist auch die städtebauliche Entwicklung ablesbar." Jedes Dia hat er auf Fotopapier abgezogen. Nach dem Zufallsprinzip nimmt Nolte Foto für Foto oben vom unsortierten Stapel weg und reicht es an die lebenserfahrenen Experten zur Begutachtung. Die erkennen sofort die Memeler Straße wieder. Mit Hilfe eines ausgebreiteten Stadtplans und einer Leselupe gelingt die genaue Verortung des Fotografenstandortes. Teile des Bauernhofs Ellenbeck standen damals, gegen Mitte der 70er Jahre, noch. Doch die Baumaßnahme für die heute dort stehenden Hochhäuser wird auf einem Bauschild bereits angekündigt. Immer wieder erinnert man sich an die Menschen, die die Gebäude mit Leben erfüllt haben und eng mit Orten verbunden waren. So betrieb Presbyter und Stadtratmitglied Herbert Freier einen Rewe Markt, dort wo heute Aldi seinen Auszug aus der Ellenbeek vorbereitet.

Die Herren werfen sich gegenseitig Erinnerungen und historische Einschätzungen zu, während Nolte aufmerksam in den Laptop mittippen muss, um nicht Entscheidendes zu verpassen. Manchmal rüffeln sich die Erinnerungsarbeiter gegenseitig an, wenn zu sehr mit den Fingern geforscht wird: "Nicht so über das Bild tatschen, sonst müssen wir das nachher mit Verdünnung abwaschen."

Etwa dreißig Fotos schafft der Kreis pro Treffen, mit Zusatzinformationen zu versehen. Manchmal sind es nur zehn. Je weiter es in die Vergangenheit geht, es so spärlicher werden die Anhaltspunkte für die Bildbetrachtert.

Als Experte für die schwierige Erkennung von Bauernhöfen gilt Karl-August Hindrichs. Da viele Höfe überbaut wurden, kann er oft nur aus seiner Erinnerung herleiten. Maler Paul-Hugo Kämmer kommt seit zwei Jahren zu den Treffen und kann bei Innenaufnahmen helfen, da er in vielen Häusern gearbeitet hat. "Ich bin auch einer von den Newcomer," berichtet Hans-Werner Geisthardt, der selbst viele Stadtansichten fotografiert.

Zusammengefunden haben sich die Archivfreunde in den frühen 90-er Jahren. Seitdem ist Wilhelm Witt dabei, der sich erinnert, dass man sich zunächst in der Stadthalle traf. Nolte gibt zu bedenken: "Wir sind heute nur in der Hälfte der Besetzung."

Dann gibt er gleich zwei Fotos aus, die eine fast identische Szenerie zeigen: den Schulhof der Hauptschule an der Schulstraße in Blickrichtung Kirchturm. Allerdings steht das Spielgerüst auf dem einen Abzug links, auf dem anderen rechts des Fotografen. Eine knifflige Geschichte und für die Zeittüftler schwierig zu sagen, ob ein spiegelverkehrter Fotoabzug des Dias oder ein Vorrücken des Fotografen Grund für die Verschiebung ist oder es ob auf dem Schulhof schlicht zwei Spielgeräte gab. Die Entscheidung dazu wurde vertagt.

(lard)
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