Naheweg in Hochdahl Krieg im Wohnzimmertheater

Erkrath · Beate Sarrazin spielt ein Stück über Freundschaft, Poesie und die chilenische Militärdiktatur der 1970er-Jahre – mit erschreckend aktuellem Bezug.

 Beate Sarrazin mit Requisiten in ihrem heimischen „Theater Anderswo“.

Beate Sarrazin mit Requisiten in ihrem heimischen „Theater Anderswo“.

Foto: Beate Sarrazin

Manchmal scheint sich die Welt rasant zu verändern. Nicht im positiven Sinne durch technologischen Fortschritt, sondern negativ: Als ziemlich genau vor zwei Jahren die Corona-Pandemie über die Welt hineinbrach, wer hätte damals gedacht, dass ein Krieg mitten in Europa ausbrechen könnte? Die Realität ist erbarmungslos grausam und ein schmerzhaftes Spiegelbild der Geschichte, findet auch Schauspielerin Beate Sarrazin. Aus aktuellem Anlass hat sie ihr Stück „Der Fahrradträumer“ erneut aus der Schublade herausgezogen.

Im September 2020 feierte sie mit dem Werk über Freundschaft, Liebe und Verlust in ihrem privaten Wohnzimmertheater am Naheweg in Hochdahl Premiere. „Ich habe es nur ein einziges Mal gespielt“, erzählt Beate Sarrazin. Durch Zufall fiel ihr diese packende Geschichte in die Hände, die sie gleich in ein Theaterstück umwandelte. Die Geschichte basiert auf den Roman „Mit brennender Geduld“ von 1984 des chilenischen Schriftstellers Antonio Skármeta.

Darin erzählt der Sohn kroatischer Auswanderer von der Freundschaft zwischen dem Postboten Mario und dem berühmten chilenischen Dichter Pablo Neruda zu einer Zeit, in der die Regierung von Präsident Salvador Allende durch einen Militärputsch gestürzt und Augusto Pinochet eine Militärdiktatur installiert, in der systematisch Menschen verschwinden. „Es ist eine berührende Geschichte zwischen Mario und Neruda im Schatten einer bedrohlichen Militärdiktatur. Der aktuelle Bezug liegt dabei auf der Hand.“ Auch in modernen Diktaturen wie in China oder Russland verschwinden Menschen, die sich kritisch über das Regime äußern. „Es ist dramatisch, wie sich die Geschichte wiederholt. Die Technik schreitet zwar weiter voran, aber moralisch verfallen wir immer wieder in dieselben Muster“, bedauert Sarrazin.

Für das Theaterstück, das als Solo-Programm konzipiert ist, schlüpft Sarrazin in die verschiedenen Rollen, spielt den Erzähler, den Postboten Mario, den Dichter Neruda, aber auch Marios Freundin Beatriz. „Es ist ein Stück mit vielen Dialogen und sparsamen Requisiten, um der Fantasie ihren Raum zu lassen.“ Seit zwei Jahren hat sie es nicht mehr gespielt. Überhaupt seien die Auftrittsmöglichkeiten in den vergangenen zwei Jahren während der Pandemie nur spärlich gewesen.

Die aufführungsfreie Zeit, erzählt sie, habe sie keineswegs verbummelt sondern vielmehr genutzt, um an neuen Stücken zu schreiben, viel zu lesen und bei ihrer Familie zu sein. Ein Großteil der Zeit habe sie in der Heimat ihres Mannes in Brasilien verbracht. Geschadet habe ihr die Zwangspause psychisch zwar nicht, doch freue sie sich, nun endlich wieder auf der Bühne ihres Wohnzimmertheaters stehen zu können. „Ich bin immer dankbar, wenn ich für mein Publikum spielen und ihnen ein Lächeln entlocken kann. Dafür macht man es ja“, sagt Beate Sarrazin.

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