Kreis Mettmann Siechenhaus diente Sippe als Unterschlupf

Kreis Mettmann · Die „Siechenbande“ trieb einst im Kreis Mettmann ihr Unwesen. Ihr Anführer wurde im Jahr 1712 auf dem Ratinger Marktplatz geköpft.

 Die "Siechenbande" trieb im Kreis Mettmann ihr Unwesen. Am 22. Februar 1712 wurde deren Anführer auf dem Ratinger Marktplatz geköpft. Das Bild zeigt eine öffentliche Hinrichtung. Holzschnitt von 1803.

Die "Siechenbande" trieb im Kreis Mettmann ihr Unwesen. Am 22. Februar 1712 wurde deren Anführer auf dem Ratinger Marktplatz geköpft. Das Bild zeigt eine öffentliche Hinrichtung. Holzschnitt von 1803.

Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

Zuerst wurden ihre Arme und Beine mit dem Dornenstock zertrümmert. Danach wurden sie gerädert. Ihr Anführer Martin Pop wurde nach seinem Tode vor dem Ratinger Siechenhaus „ausgestellt“. Direkt nebenan stand der Kopf seiner Frau Susanne, aufgespießt auf einer Stange. Sie waren zuvor mit dem Schwert enthauptet worden. Und das alles geschah unter den Augen Tausender Schaulustiger, die am noch winterlichen 22. Februar 1712 auf den Marktplatz gekommen waren, um der Urteilsvollstreckung und damit dem Ende des Siechenprozesses beizuwohnen.

Dabei begann der Markttag im damals provinziellen Ratingen eher beschaulich. Man kaufte Gemüse, während nebenan die Daumenschrauben angezogen wurden. Damit es immer ein paar Zuschauer gab, legte man die Hinrichtungen üblicherweise auf die Tage, an denen auch die Händler ihre Zelte auf dem Marktplatz aufschlugen. Diesmal war es allerdings ein besonderes Ereignis, das schon zuvor unter den Ratingern die Runde gemacht hatte. Die Mitglieder der so genannten Siechenbande hatten für Angst und Schrecken gesorgt: Etliche Morde gingen auf ihr Konto, und dabei waren sie nicht zimperlich.

Was die Leute damals aber besonders aufgebracht hatte, war die Schummelei, mittels derer sich die Räuberbande in den Siechenhäusern der Stadt einquartiert hatte. Dort sollten eigentlich nur jene Unterschlupf finden, die an Lepra oder Pest litten. Die Kranken sollten ein Dach über dem Kopf haben und wurden mit dem Nötigsten versorgt. Das war aber oft mehr, als die Armen besaßen - was nicht selten dazu führte, dass sich auch gesunde Zeitgenossen dort einquartieren ließen. So ganz ohne kriminelle Energie ging das allerdings nicht, da man auch damals schon für den Einzug ins Siechenhaus entsprechende Genehmigungen – so genannte Siechenbriefe – brauchte.

Die wurden zuweilen gefälscht, was sich auch die Familie Pop zunutze machte. Und so ließ sich die ganze Sippe um Martin Pop im Ratinger Siechenhaus „Am Aap“ einquartieren. Pop selbst soll es dort sogar zu gehobener Position gebracht und gemeinsam mit dem Leiter des Ratinger Krankenhauses den alljährlichen Siechentag organisiert haben.

Währenddessen geriet er ins Blickfeld des Richters Schwarz vom Amte Mettmann, der einen Mordfall aufzuklären hatte. „Ein ehrbarer Mann mit weißen Unterstrümf, gutem Schuhwerk und Hemdknöpfen aus Achat war gefunden worden“, schreibt der Autor Clemens-Peter Bösken in seinem Buch über die Siechenbande. Die vom Kurfürsten beauftragten „Kriminalisten“ hätten recht schnell die Spuren zum Siechenhaus verfolgt, um dort auf einen kriminellen Sumpf zu stoßen. Die ganze Familie Pop nebst Schwiegersöhnen, Schwiegertöchtern, Neffen und Nichten war in die Machenschaften verwickelt. Etliche Reisende waren dem lichtscheuen Gesindel bereits zum Opfer gefallen. Mord und Totschlag waren offenbar an der Tagesordnung.

Nun war man damals keineswegs zimperlich, was die Ermittlungsmethoden betraf. Beinschrauben wurden so fest angezogen, dass nicht selten die Unterschenkelknochen brachen. Mit Gewichten an den Beinen und auf dem Rücken gefesselten Händen wurde der Delinquent hochgezogen. Blieb das Geständnis aus, durften auch noch die Achselhaare abgeflämmt werden. Bei den Pops war man damit jedenfalls erfolgreich: Alle gestanden, in das mörderische Treiben verwickelt gewesen zu sein. Die Urteilsvollstreckung auf dem Ratinger Marktplatz ließ nach den höchstrichterlichen Urteilen nicht lange auf sich warten.

(magu)
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