An(ge)dacht Komplexität reduzieren

Mettmann · Komplexität reduzieren wird jeder Berater, jede Therapeutin den Klienten raten, wenn die nicht weiter kommen. So gesehen bin ich gerade vor einer Woche aus erfolgreicher Therapie zurück. Ich hatte nämlich Urlaub.

Natürlich weiß ich nicht, wie Sie das so halten. Ich halte im Urlaub, noch nicht einmal bewusst, die Nachrichtendichte gering. Die Redaktion möge verzeihen — Zeitungen kaufe ich nicht, der Fernseher ist irgendwie ungünstig platziert und aus, und ich lebe in den Tag, reduziere alle Komplexität und finde es wunderbar. Ich muss nur noch entscheiden, was der Tag bringen soll.

Das tue ich und fühle mich wunderbar. Ein Satz aus der Bibel, den ich sonst immer ärgerlich naiv finde, hat plötzlich einfach Recht: Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat. (Matthäusevangelium, Kap 6; Vers 34). Es wirkt nach dem Urlaub noch ein wenig nach, dass ich weiß: Für solch ein Leben bin ich offensichtlich gemacht.

Das kann ich, da fühle ich mich wohl, das überfordert mich nicht. Aber ich weiß auch, dass es nur noch wenige Tage dauert, und dieses positive Grundgefühl ist völlig verschwunden, weil ich Zeitung lese, weil ich Nachrichten höre und sehe, weil ich die Dinge regele, die ich zu regeln habe: Alles sehr komplex, und fast nie gibt es einfache Antworten. Man stelle sich das vor: Da komme ich aus dem Urlaub zurück und habe mit Ihnen zusammen 440 Mrd. Euro Schulden.

Das ist mal wirklich eine komplexe Hausnummer. Das kriegen ja nicht mal meine Enkel geregelt. Und dazu kommen noch all die anderen komplexen Probleme, in der Welt und in meinem eigenen Leben. Was denken Sie, gibt es jemanden, der oder die das alles durchschaut? Ich fürchte, nicht. Jetzt habe ich für mich die Frage, was ich mit diesen "Urlaubserkenntnissen" anfangen soll, nur ich für mich.

Ich bewahre die Erkenntnis, wofür ich geschaffen bin und was ich wirklich voll und ganz vermag, die Sorge für den nächsten Tag. Die Mühe darum, ihn gut werden zu lassen trägt Gottes Segen. Vor den komplexen Fragen laufe ich nicht weg. Aber ich bin gnädiger und geduldiger mit mir. Und ich versuche gnädiger und geduldiger mit denen zu sein, die auf der großen Bühne der Politik die komplexen Probleme bearbeiten müssen. Die müssen das auch nicht alles können.

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