Velbert Kassandra: Rückschlag für Polizei

Düsseldorf · Das neunjährige Mädchen, das in Neviges misshandelt in einen Gullyschacht geworfen wurde, hat zum ersten Mal mit der Polizei gesprochen. Kassandra kann sich aber nicht an das Tatgeschehen erinnern. Die Verteidigerin des Beschuldigten wirft der Polizei Versäumnisse vor.

Polizei meldet Festnahme im Fall Kassandra
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Polizei meldet Festnahme im Fall Kassandra

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Die Anwältin des mutmaßlichen Peinigers der neunjährigen Kassandra aus Velbert will für ihren 14-jährigen Mandanten Haftbeschwerde einlegen. "Die vorgebrachten Beweise gegen ihn rechtfertigen keine Inhaftierung", sagte die Hamburger Strafrechtlerin Astrid Denecke gestern. Sie habe "große Zweifel" an der Täterschaft des 14-Jährigen.

Unterdessen ist die schwer misshandelte neunjährige Kassandra aus Velbert gestern erstmals von der Polizei vernommen worden. Sie könne sich derzeit allerdings nicht an das unmittelbare Tatgeschehen erinnern, so die Polizei. Die Beamten machten keine Angaben darüber, wie weitreichend und wie groß die Erinnerungslücken des Mädchens sind. Ob und in welchem Umfang die Erinnerung des Kindes zurückkehrt, könnte jedoch die Ermittlungen entscheidend beeinflussen. Bislang beruhen die Vorwürfe gegen den mutmaßlichen Täter vorwiegend auf Indizien.

Kassandra wurde am 15. September lebensgefährlich verletzt in einem etwa 1,50 Meter tiefen Kanalschacht in Velbert gefunden. Ihr Körper war mit Steinen bedeckt. In der Universitätsklinik Essen stellten die Ärzte ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, massive Verletzungen im Bauchraum und eine starke Unterkühlung fest. Offensichtlich hatte das Mädchen mehrere Stunden lang in dem Schacht gelegen. Die Ärzte versetzten Kassandra daraufhin in ein künstliches Koma. Vor etwas mehr als zwei Wochen wurde sie aus dem Tiefschlaf geholt, war danach aber zunächst nicht vernehmungsfähig.

Nach bisherigem Ermittlungsstand der Polizei war Kassandra von einem 14-jährigen Jugendlichen am Tag zuvor nach dem Besuch eines Spieltreffs abgepasst und dann schwer misshandelt worden. Schließlich soll der Junge das lebensgefährlich verletzte Kind in den Kanalschacht gesperrt haben. Der Junge gilt als verhaltensauffällig und besucht eine Förderschule in Velbert, streitet die Tat jedoch ab. Er sitzt seit Samstag in Untersuchungshaft.

Seine Anwältin Astrid Denecke ist seit 1988 als Strafrechtlerin selbstständig tätig. Nach eigener Aussage bilden Kapitaldelikte, BtM-Verstöße, Wirtschafts- und Steuerverfahren sowie Eigentumsdelikte ihre Schwerpunkte. So verteidigte sie im "Rostocker Prozess" um die Erpressung der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) im August 2008 einen der Hauptbeschuldigten. Ferner verteidigte sie 2007 in Hamburg einen 21-Jährigen, dem vorgeworfen wurde, eine 15-Jährige erwürgt und einen Autofahrer erschossen zu haben.

Im Fall Kassandra hat die Polizei laut Denecke bei ihren Ermittlungen Aussagen von Kindern überbewertet. Der Junge war zum Tatzeitpunkt am Tatort gesehen worden. Gegenüber unserer Zeitung berichteten Mitschüler, dass der 14-Jährige sich häufig aggressiv verhalten habe. Andererseits soll auch er selbst oft verprügelt worden sein.

Hinweise auf weitere Tatbeteiligte hat die Polizei nicht. Sie ermittelt wegen versuchten Mordes und ist überzeugt, den Täter gefunden zu haben — sonst hätte der Haftrichter keinen Haftbefehl ausgesprochen. Indizien sprechen für den 14-Jährigen als Täter. So wird der Jugendliche durch Faserspuren an der Kleidung des Opfers und einem von der Polizei nicht näher benannten Tatwerkzeug belastet. Außerdem stehen noch DNA-Analysen aus, die weiteren Aufschluss über den Täter geben können. Laut Polizei kannten sich der Tatverdächtige und das Mädchen von dem gemeinsam besuchten Jugendtreff.

Der 14-Jährige war schon kurz nach der Tat ins Visier der Ermittler geraten. In dem von Kassandra besuchten Hausaufgabenbetreuung soll er Kinder belästigt haben. Auch zum Tatzeitpunkt wurde der Junge an der Einrichtung gesehen. Trotz der Festnahme des Jugendlichen dauern die Ermittlungen der Mordkommission unvermindert an, so die Polizei. Sie gehe Hinweisen und Spuren in alle Richtungen nach.

(RP)
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