Mettmann Interview: Wenn Kinder schlecht sprechen

Düsseldorf · Bei jedem siebten Kind fällt in der Schuleingangsuntersuchung auf, dass eine Sprachtherapie nötig ist. Erzieherin Andrea Hagenkötter hat in einem Seminar gelernt, wie sie schon im Vorschulalter helfen kann.

In der heutigen Zeit, in der Medien wie Computer und Fernseher eine große Rolle im Alltag der Kinder einnehmen und ihnen Sprachvorbilder fehlen, ist es wichtig, ihre Sprachentwicklung zu beobachten und zu fördern. In einem Seminar des Kreises Mettmann sind Erzieherinnen fit gemacht worden zu erkennen, welche Möglichkeiten sie selbst bei ihrer Arbeit haben und wann professionelle Sprachtherapie erforderlich ist. Andrea Hagenkötter vom Evangelischen Kindergarten Am Laubacher Feld war eine der Teilnehmerinnen.

Frau Hagenkötter, gibt es bei Ihnen im Kindergarten besonders viele Probleme bei der altersgemäßen Sprachentwicklung?

Andrea Hagenkötter Nein. Bei uns im Haus gibt es nur einen kleinen Anteil an Migrantenkindern. Die Sprachauffälligkeiten nehmen aber mittlerweile auch bei deutschen Kindern immer mehr zu. Bei der letzten Erhebung unter den vierjährigen Mädchen und Jungen haben wir festgestellt, dass von 40 Kindern sechs Sprachförderung benötigen, darunter fünf mit Migrationshintergrund.

Wie äußern sich die Probleme?

Hagenkötter Teilweise haben die Kinder Schwierigkeiten mit der Lautbildung, weil sie es in ihrer Muttersprache anders gewohnt sind. So werden im Russischen und Polnischen manche Laute ganz anders ausgesprochen als bei uns. Nach dem Seminar weiß ich nun besser, warum das Kind hier Probleme beim Aussprechen der deutschen Worte hat. Bei vielen Kindern ist aber auch der Wortschatz und das Sprachverständnis noch nicht altersgemäß entwickelt. Manche Kinder haben noch Schwierigkeiten, Dinge aus dem Alltag zu benennen oder zuzuordnen. Sie wissen nicht, welche Tiere bei uns im Wald leben, welche man hier nur im Zoo findet.

Wie können Sie da helfen?

Hagenkötter Indem wir beispielsweise die Kinder nicht mit verschiedenen Bezeichnungen für dasselbe überfordern. So haben wir hier eine zweite Ebene im Kindergarten, die über eine Treppe zu erreichen ist. Da mussten wir Erzieherinnen uns erst einmal absprechen, damit nicht die eine den Kindern sagt, wir gehen in die zweite Ebene, die andere in die obere Etage möchte und die dritte auf die Hochebene will.

Wie sieht die Sprachförderung in ihrer Einrichtung aus?

Hagenkötter Wir fördern nach dem Heidelberger Projekt Deutsch für den Schulstart, das wissenschaftlich erprobt und evaluiert ist. Sprachförderung findet montags bis donnerstags jeweils eine Stunde statt. Ausgangspunkt dafür ist das Testergebnis von Delfin 4, bei dem bundesweit alle vierjährigen Kinder getestet werden.

Was machen Sie nach dem Seminar nun anders als früher?

Hagenkötter Die Art, wie ich die Kinder beobachte und wahrnehme, ist anders geworden. Ich kann jetzt besser erkennen, wenn ein Kind Sprachprobleme hat. Es gibt mir mehr Sicherheit, hilft mir in der Kommunikation mit den Eltern. Ich kann unterscheiden, wo ich noch selbst helfen kann oder wo professionelle Sprachtherapie notwendig ist.

Welche Erfahrung bringen Sie noch vom Seminar mit?

Hagenkötter Es ist ein Netzwerk entstanden. Die Teilnehmer haben erfahren, wo sie überall noch Unterstützung in ihrer Arbeit finden. Es gab sowohl unter den Erzieherinnen als auch zwischen Referenten und Erzieherinnen einen regen Erfahrungsaustausch. Hier müssen alle auch weiterhin an einem Strang ziehen. Auch die Eltern sind dabei gefordert.

Manfred Müschenig führte das Gespräch.

(RP)
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