Ute Ackerschott Individuelle Hilfen für gut Ausgebildete

Mettmann · Die Chefin der Arbeitsagentur Mettmann beschreibt, wie Jobcenter und Arbeitsagenturen Hochqualifizierte neu vermitteln.

Für Ungelernte gibt es viele Hilfen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Welche Unterstützung erhalten gut ausgebildete Arbeitnehmer – zum Beispiel Facharbeiter oder Akademiker – damit sie schnell wieder Arbeit finden?

Ackerschott Wir sollten zunächst einmal klären, wer bei den Jobcentern und Agenturen als "gut ausgebildet" gilt. Wenn ich als gelernte Juristin mich heute arbeitslos melden würde, würde man mich als "wieder Ungelernte" einstufen, denn als Juristin könnte ich heute nicht mehr arbeiten. Außerdem würde ich direkt beim Jobcenter und damit bei Hartz IV landen, weil ich als Beamtin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 habe. Alle Akademiker oder Facharbeiter, die lange nicht mehr in ihrem erlernten Beruf gearbeitet haben – etwa Frauen, die ihre Kinder großgezogen oder Männer, die berufsfremd gearbeitet haben, sind aus Sicht der Arbeitsvermittler nicht gut ausgebildet und brauchen deshalb Unterstützung.

Auf wie viele ehemals gut ausgebildete Arbeitslose trifft das denn zu?

Ackerschott Tatsächlich ermitteln wir nur, wer überhaupt keine Ausbildung abgeschlossen hat und wer eine betriebliche beziehungsweise eine akademische Ausbildung absolviert hat. Bei der Arbeitsagentur im Kreis Mettmann sind etwa 20 Prozent als "Ungelernte" registriert, in Hilden sind es sogar 29 Prozent. Bei den Jobcentern sind es mehr als 60 Prozent, in Monheim sogar rund 72 Prozent. Die "wieder Ungelernten" sind also unter betrieblich oder akademisch ausgebildet gelistet. Im Kreis Mettmann gibt es vergleichsweise viele gut ausgebildete, ältere Arbeitslose, die viel Geld verdient haben. Auch das kann durchaus ein Vermittlungshindernis sein.

Was ist das denn?

Ackerschott Wer über 50 ist, hat ein Vermittlungshindernis, ebenso, wer lange nicht in seinem erlernten Beruf gearbeitet hat, wer nicht bereit ist, für eine neue Stelle den Wohnort zu wechseln oder weniger zu verdienen, wer einfach schon lange arbeitslos ist oder Probleme hat, weil er ein schwieriger Mensch ist. Das trifft auch auf Akademiker zu, die eher dazu neigen, kritisch zu hinterfragen.

Zurück zu den gut ausgebildeten Arbeitslosen. Welche Hilfsangebote gibt es für die?

Ackerschott Es gibt für sie keine besonderen Programme. Noch nicht. Bisher ist es so, dass wir Arbeitslosen, die sich zum Beispiel seit 20 Jahren nicht beworben haben, beim Bewerben helfen. Dass unsere Vermittler ihr Profil aufnehmen und sie Arbeitgebern anbieten. Es ist auch möglich, ihnen Betriebspraktika oder Weiterbildungen zu vermitteln, wenn sie lange nicht in ihrem Beruf gearbeitet haben. Es kann Eingliederungszuschüsse für den Arbeitgeber geben oder Zuschüsse, wenn sich ein Arbeitsloser selbstständig machen will.

Das hat man alles schon mal gehört, oder täusche ich mich?

Ackerschott Nein, das stimmt. Das Bewerbungstraining zum Beispiel gibt es seit Jahrzehnten. In naher Zukunft wollen wir aber etwas Neues machen: Vereinfacht gesagt, mit mehr Arbeitsvermittlern den Einzelnen noch individueller und effizienter betreuen als bisher und ihm so schneller wieder zu einer Beschäftigung verhelfen. Das neue Angebot nennt sich Joboffensive. In Berlin hat es einen erfolgreichen Probelauf in den Jobcentern gegeben. Dort ist es gelungen, qualifizierte Kräfte schnell wieder in Arbeit zu vermitteln. Mit Hilfe der "Joboffensive" fanden dort seit Juni 2011 rund 18000 Menschen eine neue Beschäftigung. Dieses Projekt wird nun auch in Nordrhein-Westfalen eingeführt. In einigen Ruhrgebietsstädten ist es bereits angelaufen, im Kreis Mettmann startet es am 1. Juli. Die Grundüberlegung ist, dass die einzelnen Arbeitsvermittler in den Jobcentern zu viele Menschen betreuen müssen. Deshalb wird der Betreuungsschlüssel auf 1:100 gesenkt. Dafür werden zusätzliche Arbeitsvermittler eingestellt. Für den Kreis Mettmann sind 15 neue Mitarbeiter vorgesehen, die sich speziell um die gut oder ehemals gut ausgebildeten Arbeitslosen kümmern sollen.

Das ist jetzt ein Jobcenter-Projekt. Können die Arbeitslosen, die von den Arbeitsagenturen betreut werden, auch auf Verbesserungen hoffen?

ackerschott Für sie ist etwas ähnliches geplant. INGA, die interne ganzheitliche Integrationsberatung. Mit "intern" ist dabei gemeint, dass wir nicht auf externe Dienstleister zurückgreifen, sondern unser eigenes Fachpersonal sich intensiv und individuell um die Arbeitslosen kümmert. Bewerbungstraining kann dann etwa so aussehen, dass man den Bewerber im fingierten Gespräch filmt und hinterher analysiert, was er hätte besser machen können. Möglichst viel Beratung und Unterstützung soll aus einer Hand kommen. Wenn sie gebraucht wird. Der hoch qualifizierte Spezialist, der auf dem Arbeitsmarkt gesucht wird, braucht unsere personelle Hilfe meist nicht. Dieser möchte allenfalls eigeninitiativ unsere IT-Unterstützung zum Beispiel durch die Jobbörse nutzen.

Gibt es dieses Angebot schon und wurden dafür zusätzliche Vermittler eingestellt?

Ackerschott Wir beginnen am 1. April mit sieben spezialisierten Vermittlern.

ILKA PLATZEK STELLTE DIE FRAGEN

(RP)
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