Caritas zieht Bilanz Immer mehr Bürger sitzen in der Schuldenfalle

Mettmann · 123 Anfragen gab es 2015 bei der Schuldenberatung der Caritas - allein in Mettmann. Die Zahl der Ratsuchenden hat sich innerhalb von vier Jahren verdoppelt.

 Schuldenmachen - das ist für viele Menschen normal geworden.

Schuldenmachen - das ist für viele Menschen normal geworden.

Foto: ddp

Der Kredit gehört beim Shoppen längst dazu. Ob es der Fernseher im Elektromarkt ist oder die Couch beim Versandhandel: Wer kein Geld hat, um sich all das leisten zu können, bekommt es quasi beim Einkauf "über den Tresen geschoben" mit der Mahnung, es demnächst zurückzuzahlen. Demnächst - das ist für so manchen Kreditgeber ein dehnbarer Begriff.

Vor allem einige Banken scheinen dabei recht großzügig zu agieren mit langfristigen Kreditvergaben, die sich oft keineswegs an den Lebensumständen ihrer Kundschaft orientieren. "Bankkredite sind immer noch die häufigste Schuldenfalle", weiß Caritas-Schuldnerberater Heinrich Beyll. Scheidung, Arbeitslosigkeit, gesundheitliche Krisen: Dass sich finanzielle Verhältnisse von einem auf den anderen Tag ändern können, wird dabei schnell aus den Augen verloren. Oder eben bewusst ignoriert, um mit den Schulden anderer Leute einträgliche Geschäfte zu machen.

"Das Inkassowesen hat sich zu einem riesigen Markt entwickelt" gibt Heinrich Beyll einen Einblick in die Abgründe, die sich auftun, wenn man in die Mühlen eines professionellen "Schuldeneintreibers" gerät. Denn dort kann sich ein Kleinkredit auch schon mal verdoppeln, wenn Überziehungszinsen und Gebühren hinzukommen.

All das wird für Otto Normalverbraucher dazu auch noch schnell undurchschaubar - und das oft erst ziemlich spät. Deshalb kommen die meisten Ratsuchenden erst zur Schuldnerberatung, wenn das Leben gänzlich aus dem Lot geraten ist.

Dort wiederum gibt es immer noch lange Wartezeiten. "Stellen Sie sich einmal vor: ein verschuldeter Mensch verschiebt seine Sorgen immer wieder auf später und entschließt sich endlich, seine Probleme anzugehen, überwindet die Scham sich zu öffnen und erfährt nach dem kurzfristig verabredeten Erstgespräch, dass er nun Monate zu warten hat, bevor es endlich losgeht", beschreibt Beyll ein Prozedere, dass er gerne ändern würde. Auch deshalb setzt die Caritas-Schuldnerberatung auf Präventionsangebote, die allerdings bislang nur in Haan und Heiligenhaus durch ein finanzielles Engagement der Stadt unterstützt werden.

Dabei wäre genau das sinnvoll, um potentielle Schuldner nicht in ein persönliches Fiasko laufen zu lassen. Denn vielen Betroffenen würden nicht nur die Schulden selbst, sondern auch noch der Schriftverkehr mit den Inkassounternehmen über den Kopf wachsen. In Panik würden dann Miet- wie Stromzahlungen eingestellt, um stattdessen die Schulden zu tilgen - womit der Teufelskreis des sozialen Abstiegs an Fahrt aufnehme.

In vielen Fällen hilft dann nur noch die Privatinsolvenz, um dem Dilemma langfristig entrinnen zu können. "Die Zahl der unter Dreißigjährigen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen", spricht der Caritas-Schuldnerberater über einen Trend, der vor allem eines deutlich werden lässt: Geldmangel ist heutzutage auch bei jungen Menschen kein Grund für Konsumverzicht.

Schuldenmachen ist längst gesellschaftlich etabliert - bis zu dem Moment, wo man sie nicht zurückzahlen kann. "Dann wird plötzlich wieder stigmatisiert und von fehlender Zahlungsmoral gesprochen", glaubt Heinrich Beyll. Dass noch nicht mal bei der Schufa so genau hingeschaut wird, hält der Caritas-Schuldnerberater für bedenklich. Anders ließe sich jedenfalls nicht erklären, wie auf einen noch nicht abgezahlten Kredit weitere folgen können.

Aber auch das Kaufverhalten der Kunden habe sich geändert: "Heute fragt man nicht mehr, was ein Auto kostet. Sondern es geht vor allem darum, wie viel Auto man sich mit monatlicher Raten leisten kann." Hinzu komme, dass inmitten einer Wegwerfgesellschaft möglichst viel konsumiert werden soll und kaum noch etwas über Jahrzehnte hinweg in Gebrauch sei. "Jeder denkt doch: So ein Auto ist in vier Jahren Schrott", spricht Beyll über einen Trend, der zum stetigen Konsum verleitet - und damit auch zum Schuldenmachen.

Der stetig steigende Beratungsbedarf hat die Caritas nun dazu veranlasst, ihr Angebot zu verbessern und sich diesbezüglich breiter aufzustellen. Betreut werden seit jeher Klienten aus Mettmann, Haan und Heiligenhaus.

Nun gibt es in Mettmann eine zentrale Anlaufstelle mit gebündelter Beratungskompetenz in der Düsseldorfer Straße 14 - und zusätzliche Sprechstunden in Haan und Heiligenhaus.

(magu)
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