Stanley Clarke "Ich hielt den Bass für das kleinste Übel"

Mister Clarke, bei QQTec sind bereits viele berühmte Jazzgrößen aufgetreten, wie John Abercrombie, Victor Bailey, Larry Coryell, Mark Egan, Lee Konitz oder Lenny White. Hat einer dieser Musiker Ihnen je davon berichtet?

Mister Clarke, bei QQTec sind bereits viele berühmte Jazzgrößen aufgetreten, wie John Abercrombie, Victor Bailey, Larry Coryell, Mark Egan, Lee Konitz oder Lenny White. Hat einer dieser Musiker Ihnen je davon berichtet?

Clarke Es kann sein, dass Lenny White es erwähnt hat. Doch diesen besonderen Ort kann man sich ohnehin nur vorstellen, wenn man ihn mit eigenen Augen gesehen hat.

Hier sind viele alte Radiogeräte ausgestellt. Erinnern Sie sich noch daran, wie Sie als Kind zum ersten Mal Musik im Radio gehört haben?

Clarke Mein Vater war ein Autonarr. Er liebte große Autos und fuhr diese Chrysler-Modelle mit riesigen Heckflossen, die aussahen wie das "Batmobil". Sehr modern für die Zeit. Und dass ich damals glaubte, mein Vater sei Batman, war ohnehin klar. Jedenfalls hatte er darin ein Autoradio. Das hat mich sehr fasziniert. Er hörte am liebsten Übertragungen von Baseball-Spielen.

Also war Ihre Mutter der musikalischere Elternteil?

Clarke Ja, das polare Gegenteil von meinem Vater. Sie war eine semiprofessionelle Opernsängerin. Das Haus war immer voller Musik, was ganz natürlich für mich war. Ich dachte damals, dass jeder eine Mutter hätte, die auf Italienisch und Deutsch singt.

Und wie kam es dazu, dass Sie sich für den Kontrabass entschieden?

Clarke Als ich zwölf war, wurden an meiner Schule verschiedene AGs angeboten. Die Interessenten sollten sich in den entsprechenden Räumen einfinden. Ich interessierte mich aber für zweierlei, für Basketball und für Musik. Also ging ich zuerst in die Turnhalle, um mich für Basketball einzutragen.

Und dann?

Clarke Als ich in den Musikraum kam, hatten meine Mitschüler sich schon alle ein Instrument ausgesucht. Übrig geblieben waren nur ein Kontrabass, eine Basstrommel und eine Tuba. Ich hielt den Bass noch für das kleinste Übel und entschied mich für ihn. Er klang fürchterlich. Und so machte ich es mir zum Lebensziel, einen akustischen Bass gut klingen zu lassen.

Sie haben Klassik studiert und wollten Orchestermusiker werden?

Clarke Mein Ziel war es, der erste Afro-Amerikaner im Philadelphia Orchestra zu werden. Doch dann traf ich Chick Corea. Er sagte: "Mann, das willst du doch nicht wirklich! Was du willst, ist mit mir zu kommen und Spaß zu haben. Du wirst viel mehr Geld verdienen und auf der ganzen Welt auftreten. Wir werden in der Lage sein, unsere eigenen Stücke zu schreiben. Und vielleicht wird man eines Tages unsere Musik ,klassisch' nennen." Das hat mich überzeugt.

Nicht alle Bassisten sehen so aus, als hätten sie beim Spielen Spaß ...

Clarke Ich erinnere mich daran, als Jugendlicher eine TV-Show gesehen zu haben, in der junge Talente vorgestellt wurden. So auch die Rolling Stones, die mir viel besser gefielen als die Beatles, weil sie rauer wirkten und weniger brav. Ich sah also Mick Jagger, der auf der Bühne herumsprang. Und auch den anderen schien die Musik Spaß zu machen, außer Bill Wyman, dem Bassisten. Er schaute so, als könne er es kaum abwarten, den Auftritt hinter sich bringen. So wollte ich nicht enden.

Sie sind vierfacher Grammy-Preisträger. Was haben die Grammys mit Ihrem Hit "School Days" zu tun?

Clarke 1976 sah ich zufällig die Grammy-Verleihung im Fernsehen. Da waren Ella Fitzgerald und Mel Tormé und verkündeten die Band "Return to Forever" und Chick Corea als Gewinner in der Kategorie Beste Jazz-Performance einer Gruppe: Wir hatten einen Grammy gewonnen! Nie hätte ich erwartet, dass irgendetwas, was ich jemals in meinem Leben tun würde, im Fernsehen erwähnt werden könnte. Ich war so glücklich, dass ich mir meinen Bass schnappte und drauf los spielte. So entstand "School Days".

Ihr Pianist Beka Gochiashvili ist 19, Drummer Mike Mitchell 20. Warum haben Sie diese jungen Leute erfahreneren Musikern vorgezogen?

Clarke Die älteren sind mir zu langsam. Nein, Scherz beiseite. Als ich in ihrem Alter war, spielte ich mit Stan Getz und Art Blakey. Als Miles Davis Tony Williams in seine Band holte, war der erst 17. Dass man die Musik an die Jugend weitergibt, hat im Jazz Tradition. Und heute sind die jungen Musiker extrem gut. Mike spielte neulich Sachen, die klangen wie Art Blakey oder wie Max Roach. Ich fragte: "Wo hast du dieses Zeug her?" Seine Antwort: "YouTube!"

Ist es wahr, dass Sie ihn auch übers Internet gefunden haben?

Clarke Ja. Mein Ton-Ingenieur und ich haben etwas wie "bester Drummer unter 21" in die Suchmaschine eingegeben. So haben wir vier oder fünf Schlagzeuger gefunden. Und Mike war der beste.

BARBARA STEINGIESSER STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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